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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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Koteletten, hatte im Umkreis von zwei Metern um die Leiche herum ein Band gespannt, das niemand überwinden durfte. Doch Leif ignorierte es und beugte sich zu dem toten Mädchen. Als Bürgermeister durfte er sich gelegentlich über bestehende Gesetze hinwegsetzen. Er betrachtete ihren Hals und ihre Hände, ohne sie zu berühren. Ich ging so nah wie möglich an das Band heran, um besser sehen zu können. Was ich sah, reichte, um das Blut in meinen Adern gefrieren zu lassen. Sie hatte Würgemale am Hals, doch ansonsten sah sie genauso aus wie in meinem Traum. Der schmale Körper lag bleich und leblos im Bach, ihre Lippen waren blau und kalt. Die Hände hatte sie ausgestreckt, als hätte sie versucht zu fliegen. Ihr Haar war vom Morgentau ganz feucht, ihr Kleid an den Ärmeln umgeschlagen. Sie sah aus, als würde sie schlafen.
    Geschockt stand ich an dem Band und betrachtete die Kleine. Was war ihr nur passiert? Wer konnte so einem wunderschönen kleinen Mädchen nur so etwas Schlimmes antun? Und vor allem: Warum hatte ich davon geträumt, bevor es passiert war? Wollte mich mein Traum warnen oder hatte ich damit das Unglück womöglich erst heraufbeschworen?
Ich blickte zu den Eltern des Mädchens, die abseits standen und fassungslos schluchzten. Pfarrer Bernhard stand bei ihnen und versuchte, ihnen Trost zu geben. Doch es schien wenig zu fruchten, denn das Schluchzen hörte nicht auf.
    Alle anderen Anwesenden tauschten Theorien darüber aus, wer der Täter gewesen sein könnte. Der alte Eberhard, der das Mädchen gefunden hatte, gab in bunten Bildern sein Erlebnis wieder, wie er im erwachenden Morgen nach einer (illegalen) Hasenfalle sehen wollte und dabei über den Körper gestolpert war. Man konnte ihn kaum verstehen, denn er hatte nur noch einen Zahn im Mund. Eigenen Angaben zufolge hatte er das letzte Mal einen Zahnarzt zu seiner Konfirmation gesehen, und auch nur, weil dieser sein Patenonkel war und die Festrede gehalten hatte. Er vergaß vor lauter Aufregung über den Fund ganz und gar, dass er eigentlich gar keine Fallen aufstellen durfte, aber der Rest des Dorfes inklusive Polizei übersah diese Kleinigkeit in Anbetracht der Tragik des Morgens. Der alte Eberhard vermutete, dass der Bär hinter dem Mord stecken könne, ein anderer Zuschauer schlug einen möglichen Serienkiller aus Gallburg vor.
    Schließlich kam doch jemand auf die Idee, dass es der Fremde gewesen sei. Bisher sei im Dorf nie etwas passiert, doch plötzlich geschähen solch schreckliche Dinge. Da richtete sich Leif wieder auf. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er zu der Gruppe, die diese Vermutung geäußert hatte.
»Dr. Bauer war es nicht«, sagte er. »Bevor wir jemanden verdächtigen, sollten wir Beweise haben. Und hier sprechen alle Beweise dafür, dass er es nicht war.«
»Tatsächlich?«, murmelte Viviane. »Woher kommt sein plötzlicher Sinneswandel.«
»Das Mädchen kannte den Täter, die Kleine hat sich nicht gewehrt«, sagte Leif.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
»Außerdem wird Dr. Bauer wohl nicht so dumm sein, sich gleich am ersten Tag an einem unserer Kinder zu vergreifen«, fügte Leif hinzu, als hätte er den Gedanken gerade selbst gehabt.
Er ging zurück zum Absperrband und schob sich darunter durch, was ihm bei seiner Größe nicht leicht fiel.
    Einige der Anwesenden glaubten ihm, doch bei anderen hatte er es schwerer mit seiner Theorie.
»Wer sollte es denn aus dem Dorf gewesen sein?«, fragte Matze, Vivianes Stiefvater. »Wir vergreifen uns auch nicht an unseren Kindern. Es ist schon merkwürdig, dass kurz nachdem der Fremde auftauchte, ein Mord bei uns passiert.«
»Solche Zufälle gibt es«, sagte Leif auf einmal, als hätte er mir vor wenigen Minuten nicht gerade das Gegenteil erzählt. »Das Leben ist voller Zufälle.«
»Das soll die Polizei klären«, erwiderte Matze.
Steffen nickte. »Mein Chef wird in wenigen Minuten hier sein. Wir werden den Fall hoffentlich selbst klären können, damit nicht ein Haufen arroganter Kommissare aus Gallburg hier einfällt. Dafür brauchen wir eure Mitarbeit.«
Er forderte jeden auf, sich zu erinnern, wann er das Kind das letzte Mal gesehen hatte. Ich erzählte ihm, dass ich Leonie, so hieß die Kleine, vor einigen Tagen zuletzt begegnet war, als sie mit ihren Eltern an der Tankstelle Eiscreme gekauft hatte. Den Traum erwähnte ich lieber nicht.
Danach fuhr Steffen los, um Robert, der von alldem offenbar nichts mitbekommen hatte, in seinem neuen Haus zu besuchen und zu

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