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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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desinfiziert, seit die letzte Leiche drin lag“, sagte der eine.
    „Und Sie meinen, das macht es besser?“
    „Jedenfalls“, grinste er. „Sie haben ja die letzte Leiche nicht gesehen.“ Mir war schlecht, und ich stand kurz vor einem hysterischen Anfall. Da spürte ich Sams Arme, die sich um mich schlossen.
    „Du schaffst das“, flüsterte er an meinem Ohr. „Du hast schon ganz andere Sachen geschafft. Das hier ist nichts als ein Liegendtransport – wie im Krankenwagen. Nur ohne Blaulicht.“
    „Und mit Deckel“, flüsterte ich schaudernd.
    Einer der Träger nahm den Deckel ab und lehnte ihn an den Sarg. Dieser war innen genauso aus blankem Blech wie außen.
    „Steigen Sie mal ein, junge Frau“, sagte er. „Wir stehen vor dem Haus im Halteverbot.“ Sam schob mich, und ich machte einen widerstrebenden Schritt in den Sarg hinein. Das Blech war unangenehm kalt an meinen Füßen.
    „Ich melde mich bei dir“, versprach Sam. „Ganz bald. Keine Sorge. Ich bringe dir ein paar Sachen vorbei.“
    „Oder jemand anders“, ergänzte Andreas Koch mit einem Seitenblick auf seinen Sohn. „Jemand, den man nicht sofort mit Ihnen in Verbindung bringen würde. Und jetzt legen Sie sich bitte hin.“
    Ich hatte keine Wahl, also streckte ich mich auf dem kalten Blech aus. Die Kälte kroch mir direkt ins Herz.
    „Brauchst du eine Decke?“, fragte Sam.
    „Ja, bitte“, flüsterte ich.
    Er gab mir eine Fleecedecke von seinem Sofa, in die ich mich wickelte. Dann legten die Bestatter den Deckel auf, und es wurde dunkel.
    Die Wölfin geriet sofort in Panik. Ich war kurz davor, mich zu verwandeln und mit Gewalt aus diesem engen Gefängnis auszubrechen. Ich konnte meine Arme kaum bewegen. Direkt über meinem Gesicht war die Innenseite des Deckels. Meine überempfindliche Nase roch stechendes Desinfektionsmittel und darunter den feinen Geruch der Verwesung. Ich bemühte mich trotzdem, gleichmäßig zu atmen. Langsam nahm ich auch das bisschen Licht wahr, das durch einen schmalen Spalt zwischen Deckel und Korpus zu mir ins Innere drang. Ich klammerte mich daran wie an eine Rettungsboje.
    „Fertig?“, drang eine dumpfe Stimme zu mir. Dann begann mein winziges Gefängnis plötzlich zu schwanken. Ich stieß einen Schrei aus, und ein vielstimmiges „Psssst!“ antwortete mir.
    Die Wohnungstür quietschte, und ich wurde hinausgetragen. Ich machte mich steif und stemmte die Füße gegen das Blech. Jetzt mussten sie mich gleich durch das schmale Treppenhaus bugsieren.
    Offenbar waren die beiden Träger Profis. Sie manövrierten mich nach unten, ohne dass ich in Schieflage geriet. Dann hörte ich die Haustür und spürte, wie ich ins Freie gebracht wurde.
    Die Wölfin in mir hätte am liebsten den Deckel weggeschlagen, wäre aus dem Sarg gesprungen und davon gerannt. Ich bemühte mich, gleichmäßig zu atmen.
    Würde ich Sam jemals wiedersehen? Was, wenn sein Vater ihm nicht sagte, wohin man mich brachte? Ich blinzelte. Tränen liefen mir aus den Augen und versickerten kitzelnd in meinen Haaren.
    Das typische Geräusch eines Kofferraums, der sich öffnete. Dann glitt mein Gefängnis wie auf Schienen ins Innere, und die Klappe fiel hinter mir zu.
    Kaum hatte der Fahrer den Motor angelassen, als ich auch schon begann, mit der Faust gegen den Deckel zu klopfen.
    „Kann ich raus?“
    Zweistimmiges „Nein!“
    Ich ließ die geballte Faust zurücksinken. Ich hasste Marcus mit all meiner Kraft. Was hatte er mir nur angetan! Ich wollte ihn jagen und zur Strecke bringen. Ich wollte ihm sein Herz aus der Brust reißen, ihm den Bauch aufschlitzen und ihn auf seine eigenen Eingeweide kotzen lassen.
    Die Wölfin zu reizen, war keine gute Idee, und das würde er noch zu spüren bekommen.
    Endlich hielt der Wagen, und der Motor ging aus. Ich spürte, wie ich ins Freie verladen wurde. Dann ging es schaukelnd ein paar Stufen hinab. Worte wurden gewechselt, eine Frau sprach, aber sie war zu weit entfernt und ich konnte nicht verstehen, was sie sagte. Eine Tür wurde geöffnet, mein Gefängnis schaukelte ein letztes Mal, und dann wurde ich abgestellt.
    Ich schlug den Deckel beiseite, blinzelte ins Licht und atmete tief durch.
    „Willkommen“, sagte eine Frau und hielt mir die Hand hin. „Ich bin Katja Eyrich, Ihre... nun ja... Gastgeberin.“
    Ich ergriff die Hand der Frau und zog mich hoch.
    „Anna Stubbe. Ich würde gerne sagen, ich freue mich, aber...“
    „Schon gut.“ Katja lächelte mich an. Sie war eine zierliche Frau mit hellen

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