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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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anderes kümmerten als Anna, vermied er die Gesellschaft der Frauen.
    Er verbrachte viel Zeit im Wald und legte in Wolfsgestalt weite Strecken zurück. Das Rennen tat ihm gut. Der Wolf dachte nicht nach, er handelte nach Instinkt und ließ sich von den Gerüchen und Geräuschen des Waldes überfluten.
    Dass er sich veränderte, spürte er selbst, als er eines Abends aus der Wolfsgestalt kam und neben sich ein totes Reh fand. Der Kadaver war zerfleischt, aber der Wolf hatte nichts davon gefressen. Marcus wischte sich Blut aus dem Gesicht. Das Reh zu töten war ihm eine Lust gewesen, daran erinnerte er sich schemenhaft. Es hatte ihm beruhigt. Marcus fühlte sich beinahe entspannt, als er sich auf den Rückweg zu Imaginas Haus machte.
    Das Reh blieb nicht das einzige, das starb, ohne den Hunger eines Raubtieres zu stillen. Marcus brachte einen kapitalen Hirsch zur Strecke, der ihm mit seinem Geweih im Kampf die Seite aufriss, ein Wildschwein, das Junge führte, Hasen ohne Zahl und schließlich Schafe. Schafe waren zu einfach, sie wehrten sich kaum, aber die Gegenwart des Schäfers und der Hunde sorgten für den nötigen Kitzel.
    Natürlich verriet er Imagina nichts davon. Als er mit der Verwundung zurückkam, die der Hirsch ihm zugefügt hatte, warf sie ihm einen langen Blick zu, doch sie sagte nichts. Dennoch hatte er immer mehr das Gefühl, dass sie seine Veränderung spürte.
    Er begann, über Nacht wegzubleiben. Er ertrug den Geruch des Babys nicht, das Geschrei, die Art und Weise, wie sich alles um den Wurm drehte. Den moosigen Stein unter der Trauerweide ertrug er am wenigsten.

    Als er eines frühen Morgens in seine Menschengestalt zurückkehrte, wusste er nicht, wo er war. Der Wald um ihn war fremd. Sein Körper war bedeckt von Kratzern, Erde und Tierblut. Die aufgehende Sonne blendete ihn, und die Vögel machten einen schier unerträglichen Krach. Er richtete sich auf und sah sich um. Rings um ihn lag dichter Tannenwald. Das Gelände war steinig und abschüssig.
    Er stützte sich an einem Baum ab. Die Luft legte sich kühl auf seine nackte Haut. Wohin sollte er gehen? Er zog Luft durch die Nase, um vielleicht Reste seiner eigenen Spur aufzufangen. Um in die Wolfsform zu wechseln, war er zu erschöpft. Die menschliche Nase eignete sich nicht allzu gut zum Wittern, brachte ihn aber immerhin in eine ungefähre Richtung bergauf.
    Während er sich durchs Gebüsch quälte, beschlich ihn der Eindruck, nicht allein zu sein. Ein fremder Geruch stieg ihm in die Nase, dominant und würzig, menschlich und gleichzeitig tierisch. Er hielt inne und lauschte, doch außer dem Getschilpe der Vögel war nichts zu hören. Vorsichtig setzte er seinen Weg fort. Der Geruch wirkte bedrohlich, reizte aber gleichzeitig seine Wut.
    Er zog sich an einigen Felsen in die Höhe und gelangte in flacheres Gelände. Die plötzliche Bewegung im Gebüsch entging ihm nicht, doch ehe er entscheiden konnte, ob er fliehen oder kämpfen sollte, vertrat ein Fremder ihm den Weg.
    Marcus war sofort klar, dass er einen Werwolf vor sich hatte. Der Fremde war nackt wie Marcus selbst. Sein Körper war kräftig und muskulös, sein Haar dunkel gelockt. Er war auf eine wilde Art gutaussehend. Marcus hätte ihm am liebsten mit den Fingernägeln die Haut vom Gesicht geschält.
    "Geh mir aus dem Weg", knurrte er.
    Der Fremde trat näher.
    "Den Teufel werde ich tun. Das hier ist mein Revier. Ich beobachte dich schon seit einer Weile. Du hast hier nichts zu suchen!"
    "Das kümmert mich nicht! Ich gehe, wohin es mir gefällt, und jeder, der mich daran hindern will, muss die Rechnung zahlen!"
    "Du bist wütend." Der Fremde musterte Marcus von oben bis unten. "Warum? Wandler dürfen doch nicht wütend sein. Sie dürfen auch nicht töten. Sie müssen immer lieb und sanft zu ihrer Umwelt sein, sonst sind sie des Teufels. So wie wir."
    "Ich lasse mir nichts verbieten! Von niemandem!"
    "Ich glaube, du bist ein schlechter Wandler."
    Der Fremde musterte Marcus mit einem herausfordernden Lächeln. zu Marcus' Erstaunen griff er sich dabei an sein Geschlecht und begann, es zu reiben, bis es pulsierend von seinem Körper abstand.
    "Wenn du an mir vorbei willst, musst du mich niederschlagen", sagte der Fremde. "Versuch es ruhig."
    Marcus ertrug den Hohn und die offensichtliche Lust des anderen nicht länger. Er stürmte voran und stieß den Fremden mit aller Kraft von sich. Der machte einen großen Schritt rückwärts, dann kam er zurück und traf Marcus mit der Faust an der

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