Die Ankunft
Dunkelheit hinter der Tür trat ein Mann heraus. Er trug eine dunkelblaue Uniform, die aussah wie ein Mittelding zwischen Polizei-und Militärkleidung. Seine Brust wurde von einer kugelsicheren Weste geschützt und über seiner Schulter hing ein Gewehr. Ihm folgte ein identisch gekleideter Mann von ähnlicher Statur. Sie nickten sich zu, und einer legte die Handfläche auf das Modul. Das Licht blinkte grün, es piepte noch einmal, und die Tür ging zu. Die beiden Männer – ganz offensichtlich Wachen – begannen, das Dach abzugehen.
» Bewaffnete Wachen bei einer harmlosen Biotechnologiefirma mitten in Skopamish«, flüsterte ich. » Ja, hier wird garantiert nichts geheimgehalten.«
» Mein Vater ist ein Mistkerl«, knurrte Dalton.
» Offensichtlich.«
Dalton schien mich nicht zu hören. Langsam schüttelte er den Kopf. » Ich schlage vor, wir überwältigen sie. Du gehst nach links, ich nach rechts. Wir schlagen sie k.o., schleifen sie zur Tür und nehmen ihre Handflächen, um reinzukommen.«
Ich musterte den Mann, der nach links gegangen war. Mit hängenden Schultern und gelangweiltem Gesichtsausdruck betrachtete er den Parkplatz unter sich. Ich grinste Dalton an. » Klingt nach einem guten Plan. Los geht’s.«
Er nickte und krabbelte auf allen vieren nach rechts, zum hinteren Ende des Gebäudes, wohin der andere Typ gerade verschwunden war.
Ich schlich nach links und ging hinter den praktischen Belüftungsaufsätzen in Deckung, wobei ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, damit ich keinen Lärm machte. Ich atmete ruhig und gleichmäßig ein und konzentrierte mich auf meine Beute. Beute? Ha. Plötzlich konnte ich sie spüren, wie sie irgendwo in meinem Hinterkopf zu mir sprach – Werwolf-Emily. Ihre Gedanken erreichten mich jedoch nicht in Form von Worten wie letzte Nacht bei meinem Tagsüber. Werwolfsgedanken bestanden aus Bildfetzen dessen, was sie – ich – beim Durchstreifen des Unterholzes wahrnahm. Es waren Erinnerungen an Düfte, zu differenzieren zwischen dem Geruch von Angst und dem von Vorsicht. Es waren tief verwurzelte Erinnerungen daran, wie ich mich, abhängig von der Windrichtung, hinstellen sollte. Sie waren außerdem ungeheuer hilfreich. Cool. Ich schaffte es bis zum letzten Belüftungsaufsatz, der sich noch zwischen mir und dem Wachmann befand.
Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt, obwohl er inzwischen die Sterne betrachtete. Er war nicht groß, doch ließen ihn seine Weste und seine Montur massig erscheinen. Ich konnte ihn atmen hören, langsam und stetig, inklusive eines leichten gelegentlichen Pfeifens durch eines seiner Nasenlöcher. Er bemerkte nichts. Die Fingerspitzen auf den Boden gespreizt begab ich mich in die Position eines olympischen Läufers auf der Startbahn. Mit angespannten Muskeln war ich gerade dabei loszurennen.
Da grölte Dalton hinter mir, und der andere Wachmann schrie überrascht auf. Scheppernd fiel seine Waffe auf das Dach. Dann kam ein Aufprall, als Dalton ihn zu Boden riss.
Mein Wachmann wurde aufmerksam und griff nach seiner Waffe. Er drehte sich um und sah den Tumult. » Zum Teufel noch mal, was …« Mit dem Gewehr im Anschlag machte er sich auf den Weg zu seinem Kollegen. So viel zu taktischem Vorgehen.
Ich stieß mich ab und rannte los. Ein sausender Schatten. Mein Wachmann sah mich erst einen Sekundenbruchteil, bevor ich vor ihm stand, doch hatte er keine Zeit mehr, um zu reagieren. Ich sprang auf, packte ihn am Arm und drehte seine Waffe in Richtung Nachthimmel. Er versuchte, einen Schuss abzufeuern, doch sein Finger rutschte vom Abzug. Ich war außerdem zu stark für ihn. Hinter mir hörte ich das grässliche, feuchte Auftreffen von Fäusten auf Fleisch. Ich achtete nicht weiter darauf und konzentrierte mich auf meinen Gegner. Er hatte die Augen weit aufgerissen und rang nach Luft. Sein heißer Atem umfing mich. Dabei sah er aus wie ein verängstigtes Kind. Mit einem Schrei riss ich ihm die Arme zur Seite. Seine Waffe fiel ihm aus den Händen und landete vor unseren Füßen. Sofort legte ich ihm eine Hand auf die Schulter und sprang ihm mit einer Drehbewegung auf den Rücken, wo ich mit beiden Beinen seine Brust und mit dem rechten Arm seinen Hals umklammerte. Ich versuchte, ihm mit aller Kraft die Luft abzuschnüren. Seine behandschuhten Finger krallten sich vergeblich am Ärmel meines Rollkragenpullovers fest, während er vor und zurück taumelte, sich hin und her warf und versuchte, mich abzuschütteln. » Keine Angst«,
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