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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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flüsterte ich ihm ins Ohr. » Du machst jetzt ein kurzes Schläfchen. So ist’s gut.« Wenig später ging er in die Knie, und seine Bewegungen wurden langsam und schwerfällig. Schließlich erschlaffte er in meinen Armen, und ich ließ seinen Hals los, landete wieder sicher auf den Beinen und nahm ihn bei den Schultern, um ihn sanft auf den Rücken zu legen. Ich kniete neben seinem reglosen Körper nieder und hielt ihm die Hand über Mund und Nase. Heiße Luft drang heraus, und er atmete die kühle Nachtluft ein. Er war noch am Leben. Ich fühlte mich beschwingt. Natürlich war mir klar gewesen, dass ich es alleine mit einem Mann aufnehmen konnte, das war mir schon einmal gelungen. Aber das hier war in aller Stille und knallhart vor sich gegangen. Es hatte sich gelohnt, sich all die Jahre über Actionfilme anzuschauen. » Danke, Tagsüber«, murmelte ich, als ich zurücktrat.
    Ich bemerkte, dass die Hiebe von Fäusten noch immer über das Dach hallten. Ich nahm wieder Haltung an und sah, wie Dalton auf der Brust des Wachmanns saß. Er hob die Faust und schlug auf das Gesicht des Mannes ein. Dann zog er den Arm zurück, um noch einmal zuzuschlagen. An seinen Fingerknöcheln klebte Blut. Seine Augen waren weit aufgerissen, und auf seinem Gesicht lag ein unbeugsames, verbissenes, irres Lächeln.
    Ich rannte so schnell ich konnte über das Dach, hechtete über ein Rohr und kam rutschend zum Stehen, als ich bei Dalton und seinem niedergestreckten Wachmann ankam. » Was machst du da?«, zischte ich. » Er liegt doch schon am Boden!«
    Das Gesicht des Wachmanns war unkenntlich. Seine Wangen und Augen schwollen an und wurden lila. Aus verschiedenen Schnitten an Stirn und Lippen quoll Blut, ebenso aus seiner Nase, die aussah, als wäre sie gebrochen. Der Mann war eindeutig besinnungslos und atmete schwer und unregelmäßig.
    Dalton beachtete mich gar nicht und hob seine Faust, um noch einmal auf den Mann einzuschlagen.
    Ich machte einen Satz nach vorn und umklammerte seinen Arm. Es war ein Kräfteringen, bei dem er versuchte, noch einmal zuzuschlagen. » Stopp!«, schrie ich.
    » Lass mich!« Dalton drehte den Kopf zur Seite und fauchte mich an. Seine Gesichtszüge bewegten und veränderten sich. Die haselnussbraune Iris beider Augen verfärbte sich zu einem unheimlichen Gelb. Seine Zähne wurden messerscharf. Nase und Wangen wurden länger, und die Muskeln und Knochen unter der Haut bewegten sich mit einem widerlichen Knirschen und Schmatzen. Unter einer Haut, aus der jetzt ein Mantel aus schwarzbraunem Fell zu sprießen begann.
    Ich hatte noch nie zuvor gesehen, wie sich jemand in einen Werwolf verwandelte. Ausgeschlossen, den Blick abzuwenden. In der Realität sah das dermaßen absurd aus, dass ich instinktiv das Bedürfnis hatte, mir selbst einzureden: » Ach, Emily, das sind nur Special Effects aus der Filmtrickkiste!« Es war jedoch real. Sich vermehrende und mutierende Zellen, die jemanden direkt vor meinen Augen in ein Monster verwandelten. Mein Arm wurde taub, und Dalton nutzte die Gelegenheit, um sich loszureißen.
    Er sprang auf, stellte sich über den Wachmann und befühlte seine eigenen, sich bewegenden Wangen mit seinen länger werdenden Fingern. Seine Fingernägel schwärzten sich wie Glas, das über eine Flamme gehalten wurde, während sie sich zu scharfen, alles zerfleddernden Klauen verformten. Er jaulte, und bevor ich reagieren konnte, schoss er an mir vorbei bis zur Dachkante. Dort verweilte er kurz, dann sprang er an der Seite des Gebäudes hinunter. Großartig. Er war nicht nur völlig durchgedreht, sondern würde jetzt auch noch als Wolf auf sich alleine gestellt herumlaufen und weiß Gott was anstellen.
    Ich drehte mich um und warf einen Blick über das Dach. Ich konnte erkennen, dass mein Wachmann wieder zu Bewusstsein kam. Er würde Daltons Wachmann finden und wahrscheinlich einen Krankenwagen und die Polizei rufen. Damit war die Erforschung von BioZenith für heute Abend gestorben. Stattdessen drehte ich mich um und rannte selbst zur Dachkante. Ich sah, wie Dalton durch den Zaun hindurch und in die hinter dem BioZenith-Gelände liegenden Wälder verschwand. Wie es aussah, musste ich einen Wolf fangen.

 
    The Vesper Company
    » Der hellste Stern, der uns alle leitet.«
    – Internes Dokument. Nicht für den Umlauf gedacht – Auszüge aus dem Videomaterial vom 31. Oktober 2010, Teil 3
    21.03.44 Uhr: Kontrollraum D1
    Das Backup-Videomaterial setzt nach einem Ausfall von 1 Minute und 22 Sekunden

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