Die Ankunft
Pfadfinder.
Ich verließ die kichernde Menge und ging durch die Haustür. Inzwischen war niemand mehr draußen; alle Jugendlichen waren irgendwo drinnen. Die Rasenfläche lag im Dunkeln. Sie wurde von den Lichtern im Hausinneren und den paar Straßenlaternen kaum erhellt. Ich sah Spencer und Dalton, wie sie Tracie zu Spencers Minivan brachten. Ich joggte quer durch den Garten und kam vor Tracie zum Stehen. Sie weinte nicht mehr, doch konnte ich die schimmernden Streifen auf ihren Wangen noch erkennen. Sie atmete gleichmäßig, aber ihre Gliedmaßen zitterten.
Spencer flüsterte ihr noch immer etwas ins Ohr.
Tracie Townsend war über alle Maßen außer sich. Ich spürte, wie sich die beiden anderen Seiten meines Selbst empörten – mein Tagsüber und die Wölfin. Beide fühlten sich von ihr gekränkt. Ich konnte nicht anders, als so zu empfinden. » Hey«, sagte ich, während ich näher kam. » Es ist alles in Ordnung, Tracie. Wie ich dir heute Morgen schon gesagt habe – wir sind alle wie du. Wir wissen, was du durchmachst. Du bist in Sicherheit.«
Sie schluckte und sah mich an. » Nein«, flüsterte sie. » Ich bin krank. Sehr krank. Seit eineinhalb Wochen setzt jedes Mal, wenn es Abend wird, mein Gehirn aus. Alles um mich herum gerät aus den Fugen, und nichts ergibt mehr einen Sinn.«
» Aber du bist nicht krank«, sagte Dalton.
Sie ignorierte ihn. » Alles, was ich ansehe, sieht falsch aus. Ich begreife nicht, was mit mir geschieht. Ich glaube, ich bin schizophren. Ich glaube, das alles ist nur Einbildung.«
Ich dachte an unsere Verwandlungen. Daran, was sie entfesselten. In meinem Fall wilde Hemmungslosigkeit, die tief in mir schlummerte. Bei Dalton war es Zorn. Bei Spencer die absolute Konzentration, die er tagsüber nicht aufbringen konnte. Was Tracie anging, war sie das Gegenteil von Spencer. Tagsüber hatte sie jeden Aspekt ihres Lebens völlig unter Kontrolle. Ich konnte mir nicht vorstellen, was die Veränderung bei ihr bewirkte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es war, jeglichen Ordnungssinn zu verlieren.
» Ich bin sehr krank«, sagte Tracie erneut und sah nun zu Boden. » Niemand darf es wissen. Niemand.«
» Aber du bist nicht krank!«, sagte Dalton, ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Er zog die Augenbrauen zusammen. » Wir sind jetzt Superhelden, Tracie. Wir können alles tun. Ich weiß nicht, warum dir das nicht in den Kopf will!«
» Es gibt keine Superhelden«, sagte sie. » Oder vielleicht gibt es hier auch welche. Ich weiß es nicht!« Sie schaute zwischen mir und Spencer hin und her, und erneut kamen ihr die Tränen.
» Scht, ist ja schon gut«, sagte Spencer zu ihr. Er legte ihr den Arm um die Schulter, und einen Moment lang war ich eifersüchtig. Wie dumm von mir. Er half einfach nur jemandem aus meinem Rudel. Was er auch tun sollte.
» Hey!«
Der Aufschrei drang über die Rasenfläche bis hin zur Straße. Ich trat hinter Tracie und ließ sie weiterhin mit Spencer flüstern, was immer er ihr auch zuflüsterte.
Amy stand mit Nikki im Schatten der Veranda und ließ die Arme seitlich herunterbaumeln. » Ich habe dir doch gesagt, dass wir noch nicht miteinander fertig sind«, sagte sie. Und während sie näher kam, zielte sie mit der Hand auf meine Brust, als würde sie mich gleich schubsen.
Ich grinste und ging auf sie zu. » Tja, das ist schade, denn ich bin mit dir …«
Doch statt zuzuschlagen, hob Amy den Arm. Und ich ging gleichzeitig mit in die Höhe. Ich rang nach Luft, so geschockt war ich, als der Boden unter meinen Füßen verschwand und nichts weiter darunter war als die kühle Nachtluft. Alle, die unten standen – Dalton, Tracie, Spencer, Nikki, Brittany – starrten mich an, wie ich in über vier Metern Höhe in der Luft schwebte.
» Hey, was machst du da?«, fragte mich Dalton. » Kannst du etwa fliegen?«
» Das bin nicht ich, die das macht!«, schrie ich mit schriller Stimme.
Nun war Amy an der Reihe, mich anzugrinsen. Sie machte eine Handbewegung, und ich fiel herunter. Der Boden raste auf mich zu, doch landete ich geschmeidig in der Hocke und richtete mich anschließend wieder auf.
» Amy!«, fauchte Brittany und trat von hinten an ihre Schwester heran. » Du weißt, dass wir das nicht tun sollen.«
» Lass sie«, mischte Nikki sich ein. Sie stellte sich neben Amy und warf mir giftige Blicke zu. » Ich habe die Nase voll davon, nett zu dieser Schlampe zu sein, die anderen den Freund ausspannt.«
» Jetzt macht aber mal halblang«,
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