Die Apokryphen - Verborgene Buecher Der Bibel
Ikoniern gehöre auch ich zu den vornehmen Kreisen, und nur weil ich den Thamyris nicht heiraten wollte, hat man mich aus der Stadt vertrieben.< Und sie packte den Alexander und zerfetzte ihm seinen Umhang und riß ihm den Kranz vom Kopf und machte ihn so vor den Leuten zum Gespött. 27 Er aber einerseits war er in sie verliebt, andererseits empfand er das, was ihm angetan worden war, als Schande - führte sie dem Statthalter vor, und der verurteilte sie, da sie sich zu ihrer Tat bekannte, zum Tierkampf. Die Frauen aber entsetzten sich über diese harte Bestrafung und schrien 181
vor dem Richterstuhl: > Ein schlimmes Urteil! Ein ruchloses Urteil!< Thekla aber bat den Statthalter, daß sie unberührt bleiben dürfe, bis sie mit den Tieren zu kämpfen habe. Und eine reiche Dame mit Namen Tryphäna, deren Tochter gestorben war, nahm sie in ihr Haus und empfing von ihr Trost in ihrem Schmerz über den Verlust der Tochter.
28 Als aber am Tag vor den Spielen die wilden Tiere in einem Umzug durch die Stadt geführt wurden, band man sie, Thekla, an einer wilden Löwin fest, und die Königin Tryphäna schritt im Zuge hinter ihr her. Die Löwin aber leckte, als Thekla auf ihr saß, ihr ganz zahm die Füße, und die ganze Volksmenge geriet über diesen erstaunlichen Vorgang außer sich. Ihre Schuld aber in der Überschrift, die ihr beim Umzug vorangetragen wurde, lautete: > Religionsschände rin.< Die Frauen aber mit den Kindern schrien in einem fort von oben her aus den Fenstern oder von den Dächern und riefen: > Ach Gott! Ein ruchloses Urteil wird in dieser Stadt vollstreckt.
Und nach dem Umzug nimmt Tryphäna sie wieder zu sich; ihre Tochter Falkonilla war ja, wie schon erwähnt, gestorben, und die hatte ihr im Traum gesagt: > Mutter, die Fremde, die vereinsamte Thekla, sollst du an meiner Stelle als Tochter nehmen, damit sie für mich bete und ich an den Ort der Gerechten versetzt werde!< 29 Als nun Tryphäna nach dem Umzug sie wieder zu sich nahm, da war sie einerseits voll Wehklagens, weil sie am anderen Tage würde mit den Tieren kämpfen müssen, zugleich aber war sie voll stürmischer Liebe zu ihr wie zu ihrer Tochter Falkonilla und sagte: »Mein zweites Kind, Thekla! Komm, bete für mein Kind, daß es in Ewigkeit lebe! Denn das, daß du das tun sollst, habe ich im Traum gesehen.« Sie aber besann sich nicht lange, sondern erhob ihre Stim me und sprach: > Du mein Gott, Sohn des Höchsten im Himmel! Schenke ihr nach ihrem Wunsch, daß ihre Tochter Falkonilla in Ewigkeit lebe!< Und als Thekla das gesagt hatte, versank Tryphäna in Tränen, indem sie bedachte, daß soviel Schönheit den Tieren vorgeworfen werden sollte.
Thekla mit den wilden Tieren in der Arena
30 Und als es früher Morgen geworden war, kam Alexander zum Hause der Tryphäna, um sie, Thekla, abzuholen - er selbst nämlich gab aus eigenen Mitteln die Tierkämpfe- und sagte: >Der Statthalter sitzt bereits im Theater auf seinem Platz, und das Volk schlägt unseretwegen schon Lärm. Gib sie heraus, ich will die Tierkämpferin abführen!< Tryphäna aber schrie derart auf, daß er die Flucht ergriff, und rief: > Die Trauer um meine Falkonilla tritt zum zweiten Male in mein Haus, und keiner ist da, der helfen könnte, weder ein Kind - denn es ist gestorben
- noch ein Verwandter - denn ich bin eine Witwe. Du Gott meines Kin des Thekla! Hilf du der Thekla!< 31 Und der Statthalter schickt Soldaten, um Thekla holen zu lassen. Tryphäna aber wich nicht zur Seite, sondern nahm selbst ihre Hand und geleitete sie und sagte: > Meine Tochter Falkonilla habe ich zu Grabe geleitet; dich aber, Thekla, geleite ich zum Tierkampf.< Und Thekla weinte bitterlich und seufzte zum Herrn und sprach: »Herr Gott, dem mein Vertrauen gilt, zu dem ich meine Zuflucht genommen habe, der du mich aus dem Feuer errettet hast! Der Tryphäna, die deiner Magd so mitfühlend gegenübergetreten ist, lohne es, daß sie mich rein bewahrt hat.«
32 Es erhob sich im Theater ein Lärm, die wilden Tiere brüllten, und das Volk schrie ebenso wie die Frauen, die ebenfalls dasaßen. Die einen riefen: >Herein mit der Religionsschänderin!<, die anderen dagegen, die Frauen, riefen: »Möchte doch die Stadt wegen dieser Schandtat weggefegt werden! Bring uns Frauen allesamt um, Prokonsul! O betrübliches Schauspiel, o schlimmes Urteil! « 33 Thekla aber wurde der Tryphäna aus der Hand gerissen, man zog sie aus, und sie bekam einen Schurz um. Und sie wurde in die Arena gestoßen, und Löwen und Bären
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