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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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feststellen können, handelt es sich um ein
festes Objekt«, sagte Vuilleumier. »Ein Kreisbogen mit
einem Radius von hunderttausend Kilometern. Er befindet sich in einer
äquatorialen Umlaufbahn um den Planeten, und die Enden wachsen
ständig weiter.«
    Irina vergrößerte den Zoom noch einmal und
konzentrierte sich genau auf die Mitte des wachsenden Gebildes. Dort
gab es eine Schwellung, bei der derzeitigen Auflösung kaum mehr
als ein rhombenförmiger Fleck. Sie tippte wieder auf das
Armband, und der Fleck wurde schärfer und vergrößerte
sich, bis er das ganze Display ausfüllte.
    »Das war einmal ein Mond«, sagte Irina, »eine
Eiskugel von ein paar hundert Kilometern Durchmesser, deren
Umlaufbahn über dem Äquator verlief. Die Maschinen haben
den Orbit in wenigen Tagen kreisförmig gemacht, ohne dass der
Mond unter den dynamischen Spannungen auseinander gebrochen
wäre. Dann nahmen sie im Inneren irgendwelche Einbauten vor, wir
nehmen an, dass es sich um weitere Aufbereitungsanlagen handelt.
Einer der Materieströme stürzt hier, über
dieser maulförmigen Öffnung in den Mond. Leider können
wir nicht einmal vermuten, was sich da drinnen tut. Wir wissen nur,
dass auf zwei Seiten röhrenförmige Gebilde in und gegen die
Bewegungsrichtung wieder herauskommen. Bei dieser
Vergrößerung erscheinen sie wie Barthaare, aber in
Wirklichkeit sind sie fünfzehn Kilometer dick. Im Augenblick
beträgt ihre Länge auf jeder Seite siebzigtausend
Kilometer, und sie wachsen mit jeder Stunde etwa um weitere
zweihundertachtzig Kilometer.«
    Irina sah Thorns ungläubigen Blick und nickte. »Doch,
das ist ganz richtig. Was Sie hier sehen, wurde in den letzten zehn
Standardtagen geschaffen. Industrieanlagen von dieser
Leistungsfähigkeit sind uns noch niemals untergekommen, Thorn.
Wir können mit unseren Maschinen in wenigen Tagen einen kleinen
metallreichen Asteroiden in ein Raumschiff verwandeln, aber neben der
Arbeitsweise der Unterdrücker erscheint selbst das unglaublich
langsam.«
    »Zehn Tage, um diesen Bogen zu formen.« Thorn
spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten, und wurde
verlegen. »Glauben Sie, er wird in diesem Tempo weiterwachsen,
bis sich die Enden berühren?«
    »Es sieht so aus. Wenn sich der Bogen zum Ring
schließen soll, wird es in knapp neunzig Tagen so weit
sein.«
    »Drei Monate! Sie haben Recht! Dazu wären wir niemals in
der Lage. Das hätten wir nicht einmal in der Belle Epoque geschafft. Aber wozu das Ganze? Warum will man einen Ring um den
Gasriesen legen?«
    »Das wissen wir nicht. Noch nicht. Aber das ist noch nicht
alles.« Irina nickte zu dem Auge hin. »Sollen wir
weitermachen?«
    »Nur zu«, sagte Thorn. »Ich will alles
sehen.«
    »Es wird Ihnen nicht gefallen.«
    Sie zeigte ihm auch den Rest. Die drei Massenströme waren vom
Ausgangspunkt wie Kieselsteinketten in präziser Formation nahezu
ballistischen Bahnen gefolgt. Doch nahe dem Gasriesen gerieten sie
unter den Einfluss von Maschinen, die so klein waren, dass man sie
nicht sehen konnte, und wurden abgebremst, scharf abgelenkt und zu
verschiedenen neu errichteten Zentren gesteuert. Ein Strom regnete
auf das Maul des Mondes mit den zwei Barthaaren hinab. Zwei andere
Monde waren innerhalb einer Zone, in der sie eigentlich von
Gezeitenkräften hätten zerrissen werden müssen, in
tiefere Umlaufbahnen dicht über der Wolkenschicht bugsiert
worden. Sie hatten ähnlich geformte Öffnungen, in die sich
die beiden restlichen Ströme stürzten.
    »Was geschieht in diesen Monden?«, fragte Thorn.
    »Offenbar etwas anderes«, sagte Irina. »Hier, sehen
Sie es sich an. Vielleicht können Sie mehr damit anfangen als
wir.«
    Was dort vorging, war tatsächlich schwer zu durchschauen. Aus
jedem der beiden Monde ragte entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung
eine barthaarähnliche Materie-Röhre. Die Röhren hatten
etwa die gleiche Dicke wie der Bogen, der vom weiter oben
befindlichen Mond aus aufgebaut wurde, aber sie schlängelten
sich auf vielfach gewundenen Bahnen tangential zur Orbitalbewegung in
die Atmosphäre des Gasriesen hinein wie dicke Telegrafenkabel,
die von einem Schiff durchs Meer gelegt wurden. Unmittelbar hinter
dem Eintrittspunkt jeder Röhre befand sich ein ovaler, etliche
tausend Kilometer breiter brodelnder Wirbel aufgewühlter
Atmosphäre.
    »So weit wir sehen können, kommen sie nicht wieder
heraus«, sagte Vuilleumier.
    »Wie schnell werden sie gelegt?«
    »Das können wir nicht sagen. Die Röhren selbst
bieten keinerlei

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