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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wiedersehen würde, und ließ sich ihre
Nachricht noch einmal durch den Kopf gehen. Er wusste nicht, was ihm
lieber wäre, dass sie die Wahrheit gesagt oder dass sie ihn
belogen hätte. Er hoffte, sie würde sich irgendwann mit
seiner Fahnenflucht aussöhnen, ihn nicht dafür hassen und
ihm auch nicht verübeln, dass er ihrer Bitte nicht entsprochen
hatte.
    Einst war er zu den Synthetikern übergelaufen, weil er das
unter den damals herrschenden Umständen für die richtige
Wahl hielt. Er hatte kaum Zeit gehabt, seine Flucht zu planen oder zu
bewerten, ob sie richtig oder falsch war. Der Augenblick war da, und
er musste sich auf der Stelle entscheiden. Er hatte nur gewusst, dass
es kein Zurück mehr gab.
    Jetzt war es ebenso. Der Augenblick war da… und er hatte
zugegriffen, im vollen Bewusstsein der Konsequenzen, wohl wissend,
dass die Entscheidung sich als falsch herausstellen konnte, dass
seine Ängste womöglich unbegründet waren, paranoide
Wahnvorstellungen eines alten Mannes, aber völlig sicher, dass
er nur so und nicht anders handeln konnte.
    So würde es ihm wohl immer ergehen.
    Er erinnerte sich, wie er einst auf dem Mars in einer kleinen
Luftblase unter den Trümmern gelegen hatte. Es war etwa vier
Standardmonate nach der Schlacht um die Tharsis-Region gewesen. Eine
Katze mit gebrochenem Rückgrat war mit ihm verschüttet
worden, und er hatte sie am Leben erhalten. Er hatte seine Rationen
mit dem verletzten Tier geteilt, auch als ihm der Durst wie
Säure Mund und Kehle verätzte; auch als der Hunger viel
schlimmer wütete als die Schmerzen von seinen Verletzungen. Kurz
nachdem man sie beide aus den Trümmern gezogen hatte, war die
Katze gestorben, und er hatte sich gefragt, ob es nicht gnädiger
gewesen wäre, sie früher gehen zu lassen, anstatt ihre
qualvolle Existenz noch um mehrere Tage zu verlängern. Aber er
wusste, in der gleichen Situation würde er wieder so handeln,
und wäre die Geste auch noch so sinnlos. Sich um die Katze zu
kümmern, hatte ihn nicht nur von seiner Angst und den eigenen
körperlichen Unannehmlichkeiten abgelenkt. Dahinter steckte
mehr, was er nicht so ohne weiteres in Worte fassen konnte. Aber er
ahnte, dass es der gleiche Impuls war, der ihn nach Yellowstone trieb
und ihn bewogen hatte, Antoinette Bax um Hilfe zu bitten.
    Nevil Clavain war allein und weit entfernt von jeder Welt, und er
hatte Angst. Doch endlich schwanden ihm die Sinne.

 
Kapitel 17

     
     
    Die beiden Frauen führten Thorn in einen Raum im Innern der Sehnsucht nach Unendlichkeit. In der Mitte schwebte auf halber
Höhe gleich einem einzigen grotesken Augapfel ein gewaltiges
kugelförmiges Display. Thorn wurde das Gefühl nicht los,
unter intensiver Beobachtung zu stehen. Nicht nur dieses Auge, das
ganze Schiff schien ihn mit eulenhaftem und nicht gerade
wohlwollendem Interesse zu mustern. Erst nach einer Weile sah er sich
genauer um. Überall waren Schäden zu erkennen. Selbst die
Display-Apparatur schien erst vor kurzem und nur mit primitiven
Mitteln ausgebessert worden zu sein.
    »Was war denn hier los?«, fragte Thorn. »Sieht ganz
nach einer Schießerei aus.«
    »Genau werden wir das nie erfahren«, sagte Inquisitorin
Vuilleumier. »Die Besatzung war in der Sylveste-Krise offenbar
nicht so einig, wie wir dachten. Offenbar kam es zu einer
Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien.
    »Wir hatten schon immer den Verdacht«, ergänzte
Irina, die zweite Frau, »dass es unter der Oberfläche
brodelte. Was immer vor Cerberus/Hades geschah, war offenbar der
zündende Funke, der eine Meuterei auslöste. Und nachdem
sich die Besatzung gegenseitig umgebracht hatte, blieb das Schiff
sich selbst überlassen.«
    »Wie praktisch für uns«, bemerkte Thorn.
    Die Frauen sahen sich an. »Vielleicht sollten wir uns
ansehen, wozu wir hergekommen sind«, meinte Vuilleumier.
    Sie spielten ihm auf dem großen Auge einen holographischen
Film vor. Thorn vermutete, dass Daten, die das Schiff mit einer
Vielzahl von Sensorbatterien aus verschiedenen Blickwinkeln gesammelt
hatte, mittels Computersynthese zusammengefasst worden waren. So war
eine Art Gottesperspektive entstanden, der Blickwinkel eines Wesens,
das ganze Planeten und ihre Umlaufbahnen erfassen konnte.
    »Ich muss Sie bitten, sich auf etwas einzulassen, das nicht
leicht zu akzeptieren ist«, sagte Irina. »Aber es muss
sein.«
    »Heraus damit«, sagte Thorn.
    »Die gesamte Menschheit steht kurz davor, von einer
unerwarteten Katastrophe ausgelöscht zu werden.
    »Das

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