Die Arche
Jacht gewesen, und Quail hatte das Schiff gekapert
und seine Mannschaft in Kälteschlaf versetzt, bis er sie
brauchte, um seiner eigenen Besatzung die Zeit zu vertreiben. Damit
wäre zumindest der Gedächtnisverlust erklärt. Scorpio
war überglücklich, endlich ein weiteres Bindeglied zu
seinem früheren Leben entdeckt zu haben, und die Freude hielt
an, bis er die dritte Entdeckung machte.
Er fand die beiden Schweine, die er in dem Kämmerchen
zurückgelassen hatte, und seine Befürchtung bestätigte
sich. Sie waren gefangen und getötet worden. Quails Jäger
hatten sie an Ketten an die perforierten Holme gehängt, die den
Korridor überspannten, um sie auszuweiden und abzuhäuten.
Scorpio war sicher, dass seine Gefährten dabei noch ziemlich
lange gelebt hatten. Weiterhin wurde ihm klar, dass ihre Kittel
– er trug den seinen immer noch – aus der Haut anderer
Schweine gefertigt waren. Die zwölf waren nicht die ersten,
sondern nur die letzten Opfer in einem Spiel, das schon sehr viel
länger lief, als er anfangs vermutet hatte. Eine Wut erfasste
ihn, wie er sie noch nie empfunden hatte. In seinem Inneren brach
eine Blockade. Plötzlich konnte er sich, zumindest theoretisch,
etwas ausmalen, was bis dahin undenkbar gewesen war: er konnte sich
vorstellen, wie es wäre, einen Menschen zu verletzen, wirklich
schwer zu verletzen. Und er konnte sich sogar überlegen, wie er
das anstellen wollte.
Nun begann Scorpio mit überraschendem Einfallsreichtum und
viel Geschick die Technik von Quails Schiff zu manipulieren. Er
verwandelte Schotts in tödliche Guillotinen und Fahrstühle
und Transitkapseln in mörderische Fallen mit wild gewordenen
Kolben, die alles zerquetschten. Er saugte aus einigen
Schiffsräumen die Luft ab, ersetzte sie durch Giftgase oder
Vakuum und verwirrte die Sensoren, die Quail und seine Crew sonst
gewarnt hätten. Auf diese Weise exekutierte er, oft mit
unglaublicher Raffinesse, einen Schweinejäger nach dem anderen.
Schließlich blieb nur noch Quail selbst übrig, ein
verängstigtes Häufchen Elend, das zu guter Letzt noch
erkennen musste, wie sehr es sich verschätzt hatte. Freilich
waren auch die elf anderen Schweine tot, und Scorpios Siegesfreude
wurde getrübt von dem bitteren Gefühl, versagt zu haben. Es
wäre seine Pflicht gewesen, seine Artgenossen zu schützen,
denen die für ihn selbstverständliche Sprachkompetenz
zumeist fehlte. Einige konnten nicht nur selbst nicht sprechen, weil
sie die Organe für die Produktion der erforderlichen Laute nicht
besaßen, sie hatten auch viel mehr Mühe als er, zu
verstehen, was man zu ihnen sagte. Ihr Gehirn war anders strukturiert
als das seine, es fehlten die Funktionen zur Ver- und
Entschlüsselung von Sprache. Ihm dagegen war das Sprechen zur
zweiten Natur geworden. Er konnte sich der Erkenntnis nicht
entziehen, dass er den Menschen sehr viel näher stand als seine
Mitgefangenen. Und obwohl ihn niemand zu ihrem Beschützer
bestimmt hatte, war ihm zumute, als hätte er sie im Stich
gelassen.
Scorpio erhielt Quail am Leben, bis sie nahe genug an Yellowstone
herangekommen waren, und setzte sich dann selbst mit der Jacht nach
Chasm City ab. Bis er den Mulch erreichte, wäre Quail
entweder schon tot oder wände sich in Todesqualen, denn Scorpio
hatte eigens für ihn aus robotgesteuerten Chirurgenbestecken,
die er aus der Krankenstation der Jacht ausgebaut hatte, mit viel
Hingabe eine Exekutionsmaschine konstruiert.
Bevor er vollends in Sicherheit war, stand ihm noch eine letzte
Entdeckung bevor: die Jacht hatte nie ihm selbst oder einem der
anderen Schweine gehört. Das Raumschiff – es trug den Namen Zodiakallicht – war von Menschen geflogen worden, die
zwölf Schweine hatten nur als Kontraktsklaven, jeder mit einem
eigenen Spezialgebiet, auf engstem Raum unter Deck geschuftet.
Scorpio spielte das Logbuchvideo ab und sah sich an, wie die
menschliche Besatzung von Quails Piraten niedergemacht wurde. Eine
Serie von schnellen, sauberen Morden, fast human, verglichen mit der
genussvoll in die Länge gezogenen Jagd auf die Schweine. Das
Video zeigte auch, wie jeder von den Zwölfen mit einem anderen
Tierkreiszeichen tätowiert wurde. Wie Scorpio vermutet hatte,
diente der Skorpion auf seiner Schulter zur Identifizierung, aber er
kennzeichnete ihn auch als Besitz und verpflichtete ihn zum
Gehorsam.
Scorpio suchte sich einen Schweißlaser, stellte ihn auf
schwächste Leistung ein und richtete ihn auf seine Schulter.
Dann sah er entsetzt und fasziniert
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