Die Arche
gesteckt. Sein Blick war verschwommen, er sah nur
unscharfe, formlose Schatten. Scorpio hob die Pfote, schälte
sich das trübe Gel vom Gesicht und blinzelte. Jetzt war die
Sicht besser, aber das Dröhnen blieb. Er sah sich um. Er fror
immer noch erbärmlich, aber sein Kopf war halbwegs klar, so dass
er seine Umgebung wahrnehmen und erfassen konnte, was mit ihm
geschah.
Er war, unnatürlich zusammengerollt wie ein Fötus, in
einer Hälfte eines Metall-Eis erwacht. Sein Unterleib war immer
noch mit dem widerlich glitschigen Gel verschmiert. Plastikrohre mit
den zugehörigen Verbindungsstücken lagen um ihn herum
verstreut. Kehle und Atemwege fühlten sich wund an, als
hätten die Rohre bis vor kurzem in seiner Luftröhre
gesteckt und wären nicht mit der nötigen Behutsamkeit
entfernt worden. Die zweite Hälfte der Schale lag neben ihm, als
wäre das Ei eben erst geöffnet worden. Dahinter erkannte er
das Innere eines Raumschiffs: glänzend blaues Metall und
geschwungene, perforierte Streben, die an Rippen erinnerten. Das
Dröhnen in seinen Ohren war der Lärm des Antriebs. Das
Schiff war unterwegs, und wenn er die Triebwerke hören konnte,
war es vermutlich ziemlich klein, nicht groß genug für
kraftfeldgelagerte Motoren. Ein Shuttle also oder etwas dergleichen.
Für den interplanetaren Verkehr.
Scorpio zuckte zusammen. Hinter den Rippen am anderen Ende der
Kabine hatte sich eine Tür geöffnet. Er sah einen kleinen
Vorraum mit einer Leiter, die nach oben führte. Ein Mann stieg
soeben von der letzten Sprosse, trat ein und ging ruhig auf das halbe
Ei zu. Er war offenbar nicht erstaunt, dass Scorpio wach war.
»Wie fühlst du dich?«, fragte der Mann.
Scorpio zwang seine Augen, sich scharf zu stellen. Der Mann war
ihm bekannt, obwohl er sich seit ihrer letzten Begegnung
verändert hatte. Seine Kleidung war so neutral und dunkel wie
damals, aber sie machte ihn nicht mehr als Synthetiker kenntlich.
Sein Schädel, einst kahl geschoren, war mit einem feinen
schwarzen Flaum bedeckt. Und er war nicht mehr ganz so
leichenblass.
»Remontoire« sagte Scorpio und spuckte unappetitliche
Gelbrocken aus.
»Ja, ich bin es. Wie geht es dir? Der Monitor sagt, du
hättest alles gut überstanden.«
»Wo sind wir?«
»Auf einem Schiff unweit des Rostgürtels.«
»Sie wollen mich wohl wieder foltern, wie?«
Remontoire konnte ihm nicht richtig in die Augen sehen. »Das
war keine Folter, Scorpio… nur Umerziehung.«
»Wann werden Sie mich dem Konvent ausliefern?«
»Das steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Jedenfalls nicht
notwendigerweise.«
Scorpio hielt das Schiff, das Shuttle für sehr klein. Gut
möglich, sogar wahrscheinlich, dass er und Remontoire die
einzigen Insassen waren. Ob er es wohl schaffen würde, ein
Synthetiker-Schiff zu fliegen? Vielleicht würde er sich nicht
allzu geschickt anstellen, aber er war zu einem Versuch bereit.
Selbst wenn er abstürzte und dabei verbrannte, wäre das
immer noch besser als eine Exekution.
Er sprang, eine Wolke von Gel verspritzend, aus der Schale und
stürzte sich auf Remontoire. Röhrchen und Schläuche
flogen nach allen Seiten davon. Seine plumpen Hände suchten nach
den Nervenpunkten, auf die man nur zu drücken brauchte, um
jedem, auch einem Synthetiker, zuerst das Bewusstsein zu rauben und
ihn dann zu töten.
* * *
Als Scorpio das nächste Mal erwachte, befand er sich in einem
anderen Teil des Schiffes und war auf einem Sessel festgeschnallt.
Remontoire saß ihm mit artig im Schoß gefalteten
Händen gegenüber. Hinter ihm wölbte sich, hell
erleuchtet wie eine Spielbank, ein beeindruckendes Schaltpult mit
einer Fülle von Anzeigen, Schaltern und halbkugelförmigen
Navigations-Displays. Scorpio hatte einige Erfahrung mit
Raumschiffen. Ein Kontroll-Interface der Synthetiker wäre bis
zur Unsichtbarkeit minimalistisch gewesen wie ein Entwurf der Neuen
Quäker.
»An deiner Stelle würde ich das nicht noch einmal
probieren«, sagte Remontoire.
Scorpio funkelte ihn wütend an. »Was meinen
Sie?«
»Du wolltest mich erwürgen, aber es hat nicht geklappt,
und dabei wird es auch bleiben. Wir haben dir ein Implantat in den
Schädel eingesetzt, Scorpio – ein sehr kleines Implantat,
das die Karotis-Arterie umschließt. Es hat nur eine Funktion:
es presst die Arterie zusammen, sobald es von einem Implantat in
meinem Kopf ein Signal bekommt. Ich kann das Signal willentlich
steuern, wenn du mich bedrohst, aber ich muss nicht. Sollte ich
plötzlich das Bewusstsein verlieren
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