Die Arche
sagte Xavier.
»Das reicht nicht«, verbesserte Antoinette. »Ein
paar hundert.«
Hyperprimaten in Raumanzügen hätten die Felge
abgedichtet, erklärten sie ihm. Beim Rettungsteam hätte es
kaum Verluste gegeben. Die Tiere hätten den Spalt zwischen
Schiff und Felgenwand so gut abgedichtet, dass man aus
Sicherheitsgründen beschlossen hätte, die Überreste
des Schiffs zu lassen, wo sie waren. Anschließend hatte man mit
Hilfe hoch bezahlter Innenarchitekten die Halle ansprechender
gestaltet.
»Die Künstler sprechen vom ›Echo auf die brutale
Penetration des Schiffes‹«, sagte Antoinette.
»Richtig«, sagte Xavier. »Oder auch von einem
›Untermalung des Unfalls mit ironisierenden architektonischen
Gesten ohne Einschränkung des räumlichen Primats des
transformativen Akts‹.«
»Für mich sind sie nur ein Haufen überbezahlter
Wichser«, sagte Antoinette.
»Eigentlich warst du es doch, die hierher kommen
wollte«, gab Xavier zurück.
Im Nasenkegel des zerstörten Schiffes hatte man eine Bar
eingebaut. Clavain empfahl taktvoll, sich einen möglichst
unauffälligen Platz zu suchen. Sie fanden einen Tisch in einer
Ecke neben einem riesigen Tank sprudelnden Wassers mit Tintenfischen,
auf deren Körpern flackernde Werbespots aufgebracht waren.
Ein Gibbon brachte drei Flaschen Bier, und alle machten sich
begeistert darüber her, sogar Clavain, der sonst dem Alkohol
nichts abgewinnen konnte. Aber das kalte Bier war erfrischend, und er
hätte alles getrunken, um die gute Stimmung nicht zu
stören. Hoffentlich merkten die beiden nicht, wie deprimiert er
tatsächlich war.
»Also, Clavain…«, sagte Antoinette. »Werden
Sie uns nun endlich erzählen, was das alles zu bedeuten hat,
oder wollen Sie uns weiter im Dunkeln tappen lassen?«
»Sie wissen, wer ich bin«, sagte er.
»Ja.« Sie warf einen Blick auf Xavier. »Wir glauben
es jedenfalls zu wissen. Sie hatten es bisher nicht
dementiert.«
»In diesem Fall wissen Sie, dass ich schon einmal die Seiten
gewechselt habe.«
»Das ist lange her«, sagte Antoinette.
Er bemerkte, wie sorgfältig sie das Etikett von ihrer
Bierflasche ablöste. »Manchmal kommt es mir vor, als
wäre es erst gestern gewesen. Aber es war vor vierhundert
Jahren, plus oder minus zehn. Seither habe ich meinem Volk fast immer
gern gedient. Es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit für mich, zum
Überläufer zu werden.«
»Und warum haben Sie sich dann dazu entschlossen?«,
fragte sie.
»Es wird etwas sehr Schlimmes geschehen. Ich weiß nicht
genau, was es ist – ich kenne nicht die ganze Geschichte –,
aber ich weiß genug, um sagen zu können, dass wir schon
bald durch eine externe Bedrohung alle in großer Gefahr
schweben werden. Nicht nur Synthetiker, nicht nur Demarchisten,
sondern alle. Ultras. Raumpiraten. Auch Sie.«
Xavier schaute finster auf seine Bierflasche nieder. »Und mit
dieser optimistischen Note…«
»Ich wollte Ihnen den Tag nicht verderben. Aber so sind nun
einmal die Fakten. Die Bedrohung existiert, sie gilt uns allen, und
ich wünschte, es wäre anders.«
»Was ist das für eine Bedrohung?«, fragte
Antoinette.
»Wenn meine Informationen richtig sind, geht es um
Fremdwesen. Wir – ich meine, die Synthetiker – wissen schon
seit längerem, dass im Weltall Wesen existieren, die es auf uns
abgesehen haben. Ich spreche von feindseligen Aliens, nicht von
gelegentlich gefährlichen oder unberechenbaren
Fremdintelligenzen wie den Musterschiebern oder den Schleierwebern.
Und mit ›existieren‹ meine ich, dass sie einige von unseren
Expeditionen aktiv bedroht haben. Wir haben sie ›die
Wölfe‹ genannt. Es sind wahrscheinlich Maschinen, und aus
irgendeinem Grunde beginnen sie erst jetzt, auf uns zu
reagieren.« Clavain hielt inne. Seine jungen Freunde lauschten
ihm jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit. An sich war er dabei,
Synthetiker-Geheimnisse zu verraten, aber das belastete ihn nicht
allzu sehr, hoffte er doch, schon sehr bald den demarchistischen
Behörden die gleiche Eröffnung machen zu können. Je
schneller sich die Nachricht herumsprach, desto besser.
»Und diese Maschinen…?«, fragte Antoinette.
»Wie lange wissen Sie schon von ihnen?«
»Lange genug. Registriert hatten wir die Wölfe bereits
vor Jahrzehnten, aber bis vor kurzem sah es so aus, als hätten
wir hier nichts zu befürchten, wenn wir gewisse
Vorsichtsmaßnahmen träfen. Aus diesem Grund hörten
wir auf, Raumschiffe zu bauen, denn sie lockten die Wölfe an wie
ein Sender. Erst jetzt haben
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