Die Arche
wir einen Weg gefunden, unsere Schiffe
weniger sichtbar zu machen. Im Mutternest gibt es eine Gruppierung,
die von jemandem namens Skade angeführt – oder zumindest
beeinflusst wird.«
»Den Namen hatten Sie schon einmal erwähnt«,
bemerkte Xavier.
»Skade ist diejenige, die mich verfolgt. Sie will verhindern,
dass ich mich an die Behörden wende, denn sie weiß, wie
gefährlich meine Informationen sind.«
»Und was tut diese Gruppierung?«
»Sie baut eine Exodusflotte« erklärte Clavain.
»Ich habe sie gesehen. Die Schiffe sind so groß, dass sie
mühelos alle Synthetiker in diesem System aufnehmen können.
Im Grunde plant man die Evakuierung unseres ganzen Volkes. Skade und
ihre Anhänger sind – das vermute ich jedenfalls –
überzeugt, dass ein schwerer Angriff der Wölfe bevorsteht,
und sie haben entschieden, dass sie nichts Besseres tun können,
als davor wegzulaufen.«
»Und was ist daran so schlimm?«, fragte Xavier.
»Wir würden doch das Gleiche tun, um unsere Haut zu
retten.«
»Mag sein«, sagte Clavain. Der Zynismus des jungen
Mannes nötigte ihm eine gewisse Bewunderung ab. »Aber die
Sache ist nicht ganz so einfach. Vor langer Zeit haben die
Synthetiker ein Arsenal von Endzeitwaffen gebaut. Endzeit im wahrsten
Sinne des Wortes – seither wurde nichts Vergleichbares mehr
hergestellt. Die Waffen gingen verloren, aber jetzt hat man sie
wiedergefunden. Die Synthetiker möchten sie gern
zurückbekommen, weil sie hoffen, sich damit noch zusätzlich
gegen die Wölfe schützen zu können.«
»Wo sind sie«, fragte Antoinette.
»In der Nähe von Resurgam, im Delta Pavonis-System. Mit
dem Raumschiff etwa zwanzig Jahre von hier. Jemand – der
derzeitige Besitzer vielleicht – hat die Waffen reaktiviert und
damit veranlasst, dass sie diagnostische Signale aussenden, die wir
aufgefangen haben. Das allein ist schon Besorgnis erregend. Das
Mutternest wollte einen Bergungstrupp zusammenstellen, und ich wurde
nicht ganz von ungefähr dazu ausersehen, die Führung zu
übernehmen.«
»Sekunde«, sagte Xavier. »Sie würden sich
wegen ein paar verloren gegangener Waffen auf eine solche Reise
begeben? Warum bauen sie nicht einfach neue?«
»Weil sie es nicht können«, sagte Clavain. »So
einfach ist das. Diese Waffen wurden vor langer Zeit nach
Erkenntnissen gebaut, die man anschließend mit voller Absicht
in Vergessenheit geraten ließ.«
»Das klingt aber ziemlich fragwürdig.«
»Ich habe nie behauptet, auf alles eine Antwort zu
haben«, gab Clavain zurück.
»Schön. Angenommen, diese Waffen existieren
tatsächlich… Was dann?«
Clavain nahm seine Bierflasche zwischen beide Hände und
beugte sich vor. »Meine ehemaligen Freunde werden auch ohne mich
nichts unversucht lassen, um sie wiederzubekommen. Ich will zu den
Demarchisten überlaufen, um ihnen und allen, die sonst auf mich
hören wollen, begreiflich zu machen, dass sie den Synthetikern
zuvorkommen müssen.«
Xavier warf einen Blick auf Antoinette. »Sie brauchen also
jemanden, der über ein Schiff und vielleicht auch ein paar
Waffen verfügt. Warum sind Sie nicht gleich zu den Ultras
gegangen?«
Clavain lächelte müde. »Weil es Ultras sind, denen
wir die Waffen abnehmen müssen, Xavier. Ich möchte die
Dinge nicht noch komplizierter machen, als sie es ohnehin schon
sind.«
»Viel Glück«, sagte Xavier.
»Ja?«
»Sie werden es brauchen.«
Clavain nickte und hob die Flasche. »In diesem Fall –
auf mich.«
Auch Antoinette und Xavier hoben ihre Flaschen und prosteten ihm
zu. »Auf Sie, Clavain.«
* * *
Vor der Bar verabschiedete sich Clavain mit einer letzten Bitte:
Antoinette und Xavier sollten ihm den richtigen Felgenzug zeigen. Bei
der Ankunft im Karussell New Copenhagen hatte es keine
Zollkontrolle gegeben, aber Antoinette erklärte ihm, bevor er
ein anderes Habitat im Rostgürtel anfliegen könne,
müsse er eine Sicherheitskontrolle passieren. Das kam ihm gerade
recht; es war die beste Möglichkeit, sich den Behörden zu
stellen. Man würde ihn verhören und trawlen und seine
Synthetiker-Identität feststellen. Durch weitere Tests
ließe sich mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass er
tatsächlich der war, als den er sich ausgab, denn seine
weitgehend unveränderte DNA wies ihn als Menschen aus, der im
zweiundzwanzigsten Jahrhundert auf der Erde geboren war. Wie es
danach weitergehen sollte, war ihm nicht so ganz klar. Vielleicht
würde man ihn sofort hinrichten, auszuschließen war es
jedenfalls nicht. Er hoffte
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