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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zum Essen auszuführen. Clavain überlegte kurz,
dann willigte er ein; auf ein paar Stunden kam es nicht an, und auf
diese Weise könnte er sich ein wenig umsehen, bevor er allein
weiterzog, um sich vermutlich in alle möglichen Gefahren zu
stürzen. Außerdem fühlte er sich immer noch in der
Schuld der beiden, noch mehr, nachdem Xavier ihm angeboten hatte,
sich aus seinem Kleiderschrank zu nehmen, was immer er wollte.
    Clavain war größer und dünner als Xavier, deshalb
erforderte es einige Phantasie, das Richtige zu finden, ohne allzu
kostspielige Stücke zu wählen. Er behielt den hautengen
Overall an, den er unter dem Raumanzug getragen hatte, und
schlüpfte in eine dicke Weste mit Stehkragen, die fast so aussah
wie die aufblasbaren Schwimmwesten der Piloten bei einer
Wasserlandung. Die weite schwarze Hose, die er fand, reichte ihm
allerdings nur bis zu den Waden, was selbst mit dem Overall
entsetzlich aussah. Schließlich schlüpfte er in ein Paar
derbe schwarze, fast kniehohe Stiefel, und als er sich daraufhin im
Spiegel betrachtete, fand er sich eher komisch als grotesk. Das war
vermutlich ein Schritt in die richtige Richtung. Zum Schluss stutzte
er sich Bart und Schnurrbart und kämmte sich das
schneeweiße, wellige Haar aus der Stirn.
    Antoinette und Xavier hatten sich bereits frisch gemacht und
warteten auf ihn. Sie nahmen die Innenfelgenbahn, um zu einem anderen
Teil des Karussell New Copenhagen zu gelangen. Antoinette
erklärte, die Linie sei erst nach der Zerstörung der
Speichen eingerichtet worden; bis dahin hätte der schnellste Weg
immer zur Nabe und von dort an die gewünschte Stelle
geführt. Die Innenfelgenbahn konnte dagegen nicht den direkten
Weg nehmen, sondern fuhr im Zickzack an der Felge entlang und
schwenkte gelegentlich sogar auf die Außenhülle hinaus, um
irgendeine kostspielige Immobilie im Innern zu umgehen. Jedes Mal,
wenn sich die Fahrtrichtung relativ zur Drehrichtung des Karussells
veränderte, ver- und entkrampfte sich Clavains Magen auf
höchst unangenehme Weise. Es war fast wie damals auf den
Landungsbooten beim Eintauchen in die Marsatmosphäre.
    Endlich erreichte der Zug einen riesigen überdachten Platz,
und Clavain kehrte in die Gegenwart zurück. Sie stiegen aus und
standen in einem Bahnhof mit Glaswänden und Glasboden. Wenn man
nach unten schaute, bot sich in Schwindel erregender Tiefe ein
erstaunliches Bild.
    Die stumpfe Nase eines riesigen Raumschiffs ragte durch die
Innenwand der Felge. Der abgerundete Kegel war übersät mit
Kratzern, Schrammen und Brandspuren, und alle Aufbauten -Kapseln,
Flossen und Antennen – waren glatt abrasiert. Die
Kabinenfenster, schwarze Löcher, im Halbkreis um die Nase herum
angeordnet, erinnerten an leere Augenhöhlen. Das Ganze war von
einem Ring aus hartem grauem Schaum so porös wie Bimsstein
umgeben, mit dem man die Bruchstelle abgedichtet hatte.
    »Was ist da passiert?«, fragte Clavain.
    »Ein Idiot namens Lyle Merrick…«, begann
Antoinette.
    Xavier schaltete sich ein. »Das ist Merricks Schiff, oder was
davon noch übrig ist. Es war ein uralter Frachter, noch mit
Chemieraketen angetrieben, wahrscheinlich das primitivste Raumschiff,
das im Rostgürtel noch Dienst tat. Merrick konnte sich
damit nur deshalb über Wasser halten, weil er die richtige
Kundschaft hatte – Leute, von denen die Behörden im Leben
nie vermutet hätten, dass sie ihre Fracht einer solchen
Schrottmühle anvertrauen würden. Doch eines Tages geriet
Merrick in Schwierigkeiten.«
    »Das war vor sechzehn oder siebzehn Jahren«, fuhr
Antoinette fort. »Die Behörden waren hinter ihm her und
wollten sich den Zugang erzwingen, um seine Fracht zu inspizieren.
Merrick suchte Deckung, es gab da einen Reparaturschacht auf der
anderen Seite des Karussells, in den sein Kahn genau hineingepasst
hätte. Aber er schaffte es nicht. Entweder hat er den Anflug
vergurkt oder die Kontrolle verloren, oder er bekam einfach Schiss.
Jedenfalls ist der Blödmann geradewegs in die Felge
gedonnert.«
    »Was man hier sieht, ist nur ein kleiner Teil seines
Schiffs«, sagte Xavier. »Den Rest, hauptsächlich
Treibstofftanks, zog er hinter sich her. Selbst bei
Schaumphasenkatalyse braucht man für eine chemische Rakete eine
Menge Treibstoff. Die Nase deformierte beim Aufprall die Felge und
durchbohrte sie. Lyle selbst überlebte, aber die Treibstofftanks
explodierten. An der Außenseite befindet sich heute noch ein
gewaltiger Krater.«
    »Todesopfer?«, fragte Clavain.
    »Einige«,

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