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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zerstörte, ums Leben gekommen.«
    Clavain zuckte abfällig die Achseln, aber die Geschichte
verunsicherte ihn mehr, als ihm lieb war. »Zufall, nichts
weiter.«
    »Mag sein. Aber sehen Sie, dieser Yves Mercier war damals
Student gewesen und hatte sich intensiv mit genau den Phänomenen
des Quantenvakuums beschäftigt, die ihn, laut Sukhoi,
früher oder später in meinen Dunstkreis bringen
sollten.«
    Clavain hielt es nicht länger aus in dem seltsamen Raum. Er
trat wieder hinaus auf den Korridor mit den blauen Laternen.
»Wollen Sie damit sagen, ihr Mercier hätte wirklich
existiert?«
    »Genau. Es gab an diesem Punkt zwei Möglichkeiten.
Entweder kannte Sukhoi von irgendwoher die Lebensgeschichte des toten
Mercier und glaubte aus unbekannten Gründen nicht daran, dass er
gestorben war, oder sie sagte tatsächlich die
Wahrheit.«
    »Aber das ist ausgeschlossen.«
    »Das sehe ich etwas anders, Mr. Clavain. Ich glaube, was
Pauline Sukhoi mir erzählte, könnte durchaus die reine
Wahrheit gewesen sein; dann nämlich, wenn in einer Weise, die
wir nicht ganz begreifen können, Yves Mercier für sie nie gestorben wäre, wenn sie hier in dem Raum, den Sie
eben verlassen haben, mit ihm zusammengearbeitet hätte, und wenn
Mercier auch dabei gewesen wäre, als der Unfall
geschah.«
    »Aber Mercier ist doch tot. Sie haben die Unterlagen selbst
gesehen.«
    »Nehmen wir an, er wäre nicht gestorben. Nehmen wir an,
er hätte die Schmelzseuche überlebt und weiter an der
allgemeinen Theorie des Quantenvakuums gearbeitet, und irgendwann
wäre ich auf ihn aufmerksam geworden und hätte ihn
früher oder später zusammen mit Sukhoi für ein
Experiment zur Erforschung der Übergänge in weniger stabile
Zustände in meine Dienste genommen. Und endlich wäre es
durch diesen Unfall zu einem Übergang in einen wirklich sehr
gefährlichen Zustand gekommen. Laut Sukhoi war Mercier dem
Feldgenerator sehr viel näher als sie selbst, als es
passierte.«
    »Er kam bei dem Unfall ums Leben.«
    »Mehr als das, Mr. Clavain. Er hörte auf, existiert zu
haben.« H beobachtete Clavain und nickte so geduldig wie ein
alter Lehrer. »Seine ganze Lebensgeschichte, seine ganze
Weltlinie war bis hin zu seinem Tod während der Schmelzseuche
gleichsam aus unserer Realität herausgetrennt worden. Vermutlich
war dies in unserer gemeinsamen Weltlinie, in ihrer und meiner
Geschichte, der logischste Punkt, an dem er aus dem Leben hatte
scheiden können.«
    »Aber nicht für Sukhoi«, sagte Clavain.
    »Nein, für sie nicht. Sie wusste noch, wie es vorher
gewesen war. Vermutlich war sie dem Brennpunkt so nahe gewesen, dass
ihre Erinnerungen in die frühere Version der Ereignisse gerieten
und sich damit verknüpften. Und als Mercier gelöscht wurde,
blieben ihre Erinnerungen an ihn erhalten. Sie war also nicht
verrückt, sie hatte keine Zwangsvorstellungen, sie wurde
lediglich Zeuge eines so grauenvollen Ereignisses, dass ihr Verstand
es einfach nicht zu fassen vermochte. Überläuft es Sie
nicht eiskalt, Mr. Clavain, wenn Sie sich vorstellen, dass ein
Experiment so ausgehen könnte?«
    »Sie hatten auf die Gefahren bereits hingewiesen.«
    »Sie waren größer, als wir damals erkannten. Wie
viele Weltlinien mögen wohl schon aus der Existenz gerissen
worden sein, bevor endlich jemand dem Geschehen so nahe war, dass er
die Veränderung registrierte?«
    »Worum ging es bei diesen Experimenten denn nun genau, wenn
die Frage erlaubt ist?«
    »Das ist das Interessante daran. Um Übergänge in
andere Zustände, wie gesagt… um die Erforschung der
exotischeren Mannigfaltigkeiten im Quantenvakuum. Wir können der
Materie einen Teil ihrer Trägheit entziehen und diesen Vorgang
bei geeignetem Feldzustand so lange fortsetzen, bis die Inertialmasse
asymptotisch gegen Null geht. Laut Einstein hat Materie ohne Masse
keine andere Wahl, als sich mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen.
Sie wird photonisch, lichtartig.«
    »Und das ist Mercier widerfahren?«
    »Nein – nicht ganz. Soweit ich Sukhois Arbeit verstanden
habe, wäre der Null-Massen-Zustand physikalisch sehr schwer zu
realisieren. Wenn sich das Vakuum dem Null-Massen-Zustand
näherte, würde es eher zur anderen Seite wechseln. Sukhoi
sprach von einem ›Tunnel-Phänomen‹.«
    Clavain zog die Augenbraue hoch. »Die andere Seite…?
    »Wäre der Quantenvakuum-Zustand, in dem die Materie eine
imaginäre Inertialmasse besitzt. Imaginär ist hier rein
mathematisch zu verstehen, in dem Sinn, wie die Quadratwurzel von
minus

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