Die Ares Entscheidung
ein Computer, der Stuhl, auf dem sie saß, und ein gerahmtes Plakat neben der Tür. Es zeigte vier Ruderer in einem Boot und war in großen Lettern mit dem Schriftzug »Teamwork« versehen. Das hatte wohl irgendjemand witzig gefunden.
Sie wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als nach Afghanistan zurückzukehren. Den Wind an den Klippen zu hören, das leuchtende Rot der Mohnfelder zu sehen, sich in der Leere zu verlieren. Sie sehnte sich nach der Situation dort, die so klar und übersichtlich war – zu wissen, dass die Taliban alles in ihrer Macht Stehende taten, um sie zu töten, während ihre Männer alles unternahmen, um das zu verhindern.
Zu Beginn ihrer Laufbahn hatte sie in gewisser Weise versucht, mit dem Räuber-und-Gendarm-Spiel weiterzumachen, für das sie als Kind ihre Puppen liegen gelassen hatte. Es gab die Guten und die Bösen, dazu jede Menge Waffen.
Aber diese Zeiten waren endgültig vorbei. Das hier war ein Spiel für Erwachsene.
Sie hatte jetzt zwei Tage lang mit allen legalen und illegalen Mitteln versucht, mehr über Nathaniel Klein herauszufinden. Seine berufliche Bilanz war makellos, er genoss
überall größten Respekt, und selbst seine Feinde verwendeten widerwillig Worte wie »brillant« und »Patriot«, um ihn zu beschreiben. Noch interessanter war, dass er ein enger Vertrauter von Präsident Castilla war – die beiden waren Freunde seit der Collegezeit.
Daraus konnte man schließen, dass mit den »Leuten in höheren Regierungskreisen«, von denen Klein gesprochen hatte, niemand anderer als Castilla gemeint war. Offenbar war das Weiße Haus selbst für die Finanzierung und die Aktivitäten von Covert One verantwortlich. Doch für diese Vermutung hatte sie keine Beweise.
Ein Anruf bei Marty Zellerbach hatte sich als Treffer erwiesen. Er wäre auch ihre erste Anlaufstation gewesen, wenn sie dieses Video aus Uganda in die Hände bekommen hätte. Er zeigte ihr seine Analyse, nachdem sie ihm hatte schwören müssen, niemandem zu verraten, dass er eine Kopie der Aufnahmen behalten hatte.
Was Klein gesagt hatte, schien durchaus der Wahrheit zu entsprechen. Aber hieß das, dass er wirklich völlig ehrlich zu ihr war, oder war er einfach nur so schlau, wie man es sich von ihm erzählte? Konnte es sein, dass er selbstständig tätig war und Aufträge von verschiedenen Seiten annahm? Sein bescheidener Lebensstil deutete nicht gerade daraufhin, dass er massenhaft Geld verdiente, aber auch das bewies gar nichts. Er wäre sicher clever genug, einen möglichen Reichtum nicht offen zur Schau zu stellen.
Und dann war da wieder einmal der rätselhafte Jon Smith. Klein wusste genau, dass er mit diesem Namen ihr Interesse weckte – einerseits, weil sie Jon helfen wollte, und andererseits, weil sie so eher bereit sein würde, ihm einen Vertrauensbonus zu geben. Aber wie konnte sie sicher sein, dass Jon wirklich für Covert One tätig war? Verdammt, es konnte gut
sein, dass er gegen die Organisation arbeitete und dass Klein sie benutzen wollte, um ihn aufzuspüren.
Trotzdem konnte sie nicht einfach ignorieren, was er ihr erzählt hatte. Wenn er die Wahrheit sagte und sie ihm ihre Hilfe verweigerte, standen zahlreiche Menschenleben auf dem Spiel. Andererseits konnte etwas noch Schlimmeres herauskommen, wenn sie sich für verbrecherische Ziele benutzen ließ.
Randi saß einige Minuten still da, dann griff sie zum Telefon und wählte die Nummer von Charles Mayfield, dem Vizedirektor der CIA.
»Sag jetzt nicht, dass es morgen mit dem Mittagessen nichts wird«, begann er statt eines Grußes.
Sie waren schon sehr lange befreundet, und Mayfield hatte sie immer unterstützt – selbst wenn es seiner eigenen Karriere nicht unbedingt förderlich war. Aber wie weit würde er bereit sein, zu gehen?
»Wir müssen reden, Chuck. Jetzt gleich.«
»Das klingt nicht gut. Worum geht’s?«
Sie stützte den Ellbogen auf den Schreibtisch und legte den Kopf in ihre Hand. Gute Frage.
Kapitel sechsundfünfzig
NORDUGANDA
28. November, 04:02 Uhr GMT + 3
Peter Howell brachte den gestohlenen Jeep schlitternd zum Stillstand, sprang hinaus und lief durch die Staubwolke, die er aufgewirbelt hatte, zu dem Land Cruiser hinüber, der neben der Straße auf dem Dach stand. Im schwachen Licht des einen Jeepscheinwerfers, der noch funktionierte, sah er, dass die Frontpartie und die Seite voller Einschusslöcher waren, und er zögerte kurz, bevor er ins Innere blickte.
Kaum Blut und Gott sei Dank keine Leiche.
Weitere Kostenlose Bücher