Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Bergfesten am schnellsten über See erreichen konnten, und Vannor gab ihr Gold für die Schiffspassage. Dann bat der Kaufmann Aurian um etwas, das Anvar schlagartig aus seinen Betrachtungen riß.
»Könnt ihr Sara mitnehmen? Sie wird in einem der südlichen Forts sicherer untergebracht sein als hier bei mir.« Aurian runzelte die Stirn.
»Vannor, das kann ich nicht«, sagte sie frei heraus. »Forral …« Ihre Stimme zitterte bei der Erwähnung seines Namens. »Er hat mich zwar gründlich darin unterwiesen, wie man ein solchen Abenteuer besteht – aber mein Wissen ist noch nie wirklich auf die Probe gestellt worden, und wenn wir nun Sara mitnehmen, dann bedeutet das, daß wir sowohl uns beide als auch sie in Gefahr bringen. Glaub mir, sie ist bei dir besser aufgehoben.«
»Bitte, Aurian«, bat Vannor. »Ich weiß, daß sie für die harten Bedingungen einer solchen Reise nicht geschaffen ist, aber sie wird hier in schlimmer Gefahr sein.«
Aurian seufzte. »Nun gut, Vannor. Ich schulde dir mehr als diesen Dienst – aber denk immer daran, daß es keine Möglichkeit für uns geben wird, sie zu verwöhnen.«
Vannors Gesicht hellte sich auf. »Ich danke dir, Lady«, sagte er. »Ich werde sie sofort herbringen lassen.«
Als Sara hörte, was geschehen war, wurde sie hysterisch. Sie umkreiste Vannor wie eine Furie und bezichtigte ihn aller möglichen Formen der Dummheit, weil er sich überhaupt in diese Geschichte hatte hineinziehen lassen, weil er den Zorn des Erzmagusch auf sich gezogen hatte und ihrer aller Leben ruiniere. Der Kaufmann war durch und durch beschämt ob ihres Benehmens, und Aurians Lippen kräuselten sich angewidert. Anvar hielt sich schweigend im Hintergrund; sein Herz hämmerte, und er fiel wieder einmal Saras Schönheit zum Opfer.
Obwohl sie seine Anwesenheit ignorierte, hatte er sie bei seinem Anblick erbleichen sehen, und aufs neue quälte ihn die Erinnerung an die Zurückweisung, die er bei ihrer letzten Begegnung hatte hinnehmen müssen. Hatte sie das getan, weil sie ihn haßte – oder weil sie fürchtete, Vannor könnte das beschämende Geheimnis ihrer Vergangenheit entdecken? Es war auch für den Außenstehenden ganz offensichtlich, daß es in dieser Ehe Liebe nur auf Vannors Seite gab. Wenn Sara mit ihrem Mann sprach, konnte Anvar darin nichts als Kälte und Verachtung entdecken. Ihre Mutter hatte ihm erzählt, daß Saras Vater sie Vannor als Ehefrau verkauft hatte. War sie gegen ihren Willen dazu gezwungen worden? War sie eine Gefangene in all diesem Reichtum? Das würde ihr Benehmen gegen den Kaufmann erklären, den Anvar als freundlichen und grundanständigen Mann kannte. Und wenn sie Vannor haßte, wie würde das Mädchen dann darauf reagieren, daß sie mit ihrem früheren Liebhaber reisen sollte, der ihr ein Kind gezeugt und sie mit den Konsequenzen, die sich daraus ergaben, allein gelassen hatte?
Vannor kam in seinen Erklärungen erst gar nicht dazu, Anvar zu erwähnen. Als es dem Kaufmann endlich gelang, zu Wort zu kommen, um Sara seine Pläne mitzuteilen, weigerte sie sich rundheraus zu gehen. »Warum sollte ich?« schimpfte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich ziehe doch nicht wie ein Vagabund mit der da durch die Welt.« Sie starrte Aurian an. »Nichts von alledem ist meine Schuld – der Erzmagusch kann mich nicht dafür verantwortlich machen. Und es war auch nicht meine Entscheidung, einen Schwachkopf zu heiraten – oder einen Geächteten!«
Anvar konnte Vannor ansehen, wie sehr ihn diese Beschimpfungen verletzten. Aurian ging fluchend und mit erhobener Hand einen Schritt auf Sara zu. Anvar sprang schon dazu, überzeugt, daß die Magusch sie schlagen wollte, aber Aurian legte nur ihre Hand auf Saras Stirn und sagte: »Schlaf!« Sara fiel zu Boden. »Keine Angst«, sagte Aurian, als sie den besorgten Blick des Kaufmanns auffing, der sich sogleich neben seine Frau gekniet hatte. »Es setzt sie für eine Weile außer Gefecht. Schick jemanden, der sie hinunter zum Boot trägt, Vannor. Wir werden hier schon viel zu lange aufgehalten.«
»Ist ihr denn nichts passiert?« fragte der Kaufmann.
»Nein, natürlich nicht. Es geht ihr besser, als sie es verdient«, erwiderte Aurian gereizt. »Sie schläft nur. Aber ich warne dich, Vannor – wenn sie sich das nächste Mal so benimmt, dann werde ich sie schlagen – und zwar mit dem größten Vergnügen!«
Der Wind wurde stärker und trieb zerfetzte Wolken vor dem blassen Halbmond her, dessen unbeständiges Licht immer wieder
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