Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
ich dieses Böse bekämpfen will, dann ist meine Unwissenheit eine tödliche Waffe in den Händen meiner Feinde. Und kämpfen muß ich, selbst wenn es mich das Leben kostet. Ich habe geschworen, der Bosheit des Erzmagusch ein Ende zu setzen.«
»Kind, wie könnte ich dir davon erzählen?« Tiefes Bedauern schwang in Ithalasas Gedanken mit. »Ich kann verstehen, daß du gegen dieses Böse ankämpfen mußt, aber alle Rassen des Maguschvolkes haben einst geschworen, dieses gefährliche Wissen niemals wieder aufleben zu lassen, damit es nicht noch einmal eine Verheerung gibt. Ich darf dir nichts davon erzählen. Willst du die Zerstörung der Welt auf deinem und meinem Gewissen haben?«
Aurian seufzte. »Mächtiger, Weiser, ich bin für deine Begriffe sicherlich jung und unerzogen, aber ich weiß um die furchtbare Verantwortung, die auf mir ruht. Ich weiß, welche Verwüstungen ein Krieg zwischen den Magusch auslösen kann. Aber wenn ich in den Besitz der drei verlorenen Waffen gelangen könnte, dann ließe sich Miathan bestimmt unterwerfen, ohne daß allzuviel Schaden entsteht. Ich sage dir offen, daß ich in der Kriegskunst geschult bin. Aber ich wurde von jemandem unterrichtet, der weder für Gewalt noch für Zerstörung etwas übrig hatte. Er war der beste und sanfteste Mann, und das größte von den vielen großen Geschenken, die ich von ihm erhalten habe, ist der Respekt für unsere Mitgeschöpfe – ganz gleich, welcher Rasse sie angehören – und der Abscheu vor sinnlosem Töten und Blutvergießen.«
Der Leviathan versenkte sich für lange Zeit in seine Gedanken, aber er schirmte sie von der Magusch ab.
Schließlich seufzte er; ein mächtiger Seufzer, der eine funkelnde, in allen Regenbogenfarben irisierende Fontäne aus seinem Blasloch schießen ließ. »Kleine – laß uns einmal annehmen, daß du die Waffen findest. Laß uns weiter annehmen, daß du sie benutzt, um den Erzmagusch zu besiegen, und daß du dabei auch die vierte Waffe erlangst. Was würdest du dann tun?«
»Ich würde euch die Waffen geben«, erklärte Aurian ihm, ohne zu zögern. »Dein Volk wäre ein weit besserer Hüter dieser gefährlichen Dinge als meines. Ich würde es dir überlassen, zu entscheiden, ob sie aufbewahrt werden sollen, versteckt oder zerstört. Ich bin nicht auf Macht aus – ich will nur meine Aufgabe erfüllen.«
»Bist du dir dessen sicher?« Ithalasas Gedanken verrieten Überraschung.
»Ich schwöre es dir. Großer, du darfst mich lesen, wenn du möchtest, damit du dir sicher sein kannst, daß ich die Wahrheit sage.«
»Du würdest dich dem unterziehen?« Der Leviathan klang erstaunt. Das Lesen war eine Prozedur, der sich nur ganz selten jemand freiwillig unterzog. Sie ging viel tiefer und war viel intensiver als die Prüfung der Wahrheit; es hieß, daß sie alle Tiefen der innersten Seele eines Lebewesens freilegte – und daß sie dem, der es gekonnt anstellte, die Möglichkeit gefährlicher Beeinflussung und anderen Mißbrauchs eröffnete. Schon mit dem bloßen Vorschlag hatte Aurian Ithalasa ihr absolutes Vertrauen ausgesprochen.
»Ja, das würde ich – und ich werde es«, sagte sie bestimmt.
»Also gut, Kleine. Ich nehme dein Angebot an – es ist mir eine Ehre.«
Aurian nahm all ihren Mut zusammen und öffnete sich Ithalasas forschenden Gedanken.
Es war schlimmer, als sie es sich in ihren schlimmsten Vorstellungen hätte ausdenken können – ein zerreißendes Eindringen, viel tiefer und in viel intimere Bereiche vorstoßend, als es eine körperliche Vergewaltigung jemals sein konnte. Der Leviathan streifte durch ihr Bewußtsein, durch ihren Willen, wühlte den untersten Schlick und Bodensatz ihrer Seele auf, all das, was wertlos und niedrig war, all die Schwächen des Stolzes und Temperaments und der Sturheit, die so sehr ein Teil von Aurians Persönlichkeit waren. All das, was sie verleugnet, verdrängt oder vor sich selbst sicher versteckt hatte, wurde aufgerührt wie eine Schlammwolke vom Grunde eines klaren Baches.
Als es vorbei war, lag sie verkrampft und zusammengerollt auf dem höckerigen Rücken des Behemoth. Ihr war übel, und sie zitterte.
»Kleine, entspann dich.« Die Worte des Leviathan breiteten sich wie ein lindernder Balsam über Aurians wundes, verletztes Bewußtsein aus. »Nicht einmal die Götter selbst, so heißt es, waren vollkommen. Es ist nicht angenehm, sich seinen eigenen Fehlern und Schwächen zu stellen, aber das allein ist der Weg zur wahren Weisheit – den deswegen
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