Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
muß sich doch bestimmt jemand daran erinnern, ihn gesehen zu haben?«
»Genau! Und in dieser ganzen Zeit war nicht ein einziges Mal die Rede von einem solchen Mann … Was hast du gesagt? Er war mit Sara zusammen? Der Khisihn? Warum?« Harihn beugte sich vor, und seine Augen blickten plötzlich interessiert. Was war nur in diesen Mann gefahren, fragte Aurian sich. Konnte sie sein plötzliches Interesse irgendwie zu ihrem Vorteil nutzen?
»Hat Sara ihn nicht erwähnt?«
»Nein, das hat sie bestimmt nicht. Hätte sie es denn tun sollen? Waren sie zusammen? Warum hat sie nichts von ihm gesagt? Ist das etwas, das ich benutzen könnte, um meinen Vater zu blamieren?« Harihns Fragen überstürzten sich in seinem Eifer.
Also das war’s! Aurian mußte sich anstrengen, ihre Erleichterung zu unterdrücken. Wenn sie diese Sache richtig handhabte … Sie versuchte, ein schockiertes Gesicht zu machen. »Es überrascht mich nicht, daß sie Anvar dem Khisu gegenüber nicht erwähnt hat. Sie ist seine Konkubine. Das ist auch der Grund, warum sie mich tot sehen will, Harihn – damit ich ihr Geheimnis nicht verraten kann. Wenn der arme Anvar tot ist, spielt es natürlich keine Rolle mehr, aber wenn er noch immer lebt, dann würde es Euren Vater in eine sehr peinliche Situation bringen …«
Der Prinz stieß eine Salve triumphierenden Gelächters aus. »Ah!« sagte er. »Du zahlst mir meine Investition bereits zurück. Ich habe mich, als ich dich gerettet habe, schon gefragt, ob ihr beide, du und Sara euch kennt. Zwei Fremde, die so kurz nacheinander hier eintreffen – das konnte einfach kein Zufall sein. Ich frage mich, was mein Vater sagen wird, wenn er hört, daß seine kostbare neue Khisihn die Konkubine eines anderen Mannes ist.«
Aurian seufzte. Was für ein Unschuldslamm! »Sara wird sagen, ich sei eine Lügnerin, oder sie wird behaupten, Ihr lügt, und der Khisu wird natürlich seiner Frau glauben, und dann werden wir beide in Schwierigkeiten kommen«, sagte sie ausdruckslos, und Harihn zog ein langes Gesicht. »Was er braucht, sind Beweise. Wenn Ihr doch nur Anvar finden könntet …«
Das Gesicht des Prinzen hellte sich auf. »Beim Schnitter, Lady, du bist wirklich klug! Daran hätte ich nie gedacht. Wie schade, daß du eine fremde Zauberin bist. Du würdest eine viel bessere Königin abgeben als diese Eselin, die mein Vater geheiratet hat! Du bist wahrhaftig wert, mit den Schätzen der Wüste aufgewogen zu werden.« Es schien ein merkwürdiges Kompliment zu sein, aber Aurian ließ es ihm durchgehen. Harihn sprang auf die Füße. »Ich werde sofort einen Mann zum Hafen hinunterschicken – wenn es überhaupt eine Spur gibt, dann kann sie nur dort beginnen.«
»Harihn, ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll«, sagte Aurian, und Erleichterung malte sich auf ihren Zügen ab. »Sobald ich wieder auf den Beinen bin, werde ich Euch Eure Freundlichkeit zurückzahlen, das verspreche ich. Mit Eurer Erlaubnis werde ich beginnen, Eure persönliche Wache in den nördlichen Kampfkünsten zu unterweisen. Dann habt Ihr den bestmöglichen Schutz, falls Euer Vater jemals einen Schritt gegen Euch unternehmen sollte.« Und wenn ich gehe, dachte sie, hast du immer noch jemanden, der dich beschützt.
»Lady, ich bin dir aus ganzem Herzen dankbar.« Harihn sah sie an, und Dankbarkeit war an die Stelle der alten Arroganz getreten. Aurian begriff, daß er große Angst vor seinem Vater hatte – und daß er sehr allein war. Und nun hatte sie auch noch die Absicht, ihn zu hintergehen, sein Vertrauen zu gewinnen und alle Hilfe anzunehmen, die er ihr bieten konnte – und ihn dann, sobald es möglich war, zu verlassen. In diesem Augenblick haßte sie sich selbst. Wie weit würden sich die Wellen von Miathans Bosheit noch ausbreiten? War es jetzt soweit, daß auch sie, Aurian, von ihnen verschlungen wurde? Aurian zwang sich zu einem Lächeln, aber sie schauderte innerlich und verachtete sich für das, was sie tat.
»Euer Hoheit«, sagte sie. »Es wird mir eine Ehre sein, Euch zu helfen.« Und mögen die Götter mir helfen, dachte sie.
25
Die Gefangenen
Die Nachtfahrer hatten sich in einer sicheren und geheimen Honigwabe von Höhlen ein Zuhause geschaffen – vom Ozean aus war es über einen Tunnel von einer Stelle an der Küste aus zu erreichen, wo die Wellen sich in einer dunklen Öffnung in den Klippen verloren. Dieser unterirdische Kanal, der tief genug für ein Schiff war, öffnete sich zu einer riesigen Höhle. Ein
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