Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
der Dienerschaft, gleich neben dem Maguschturm, und regelmäßige, kräftige Mahlzeiten im direkt anschließenden Speisesaal. (Der Gedanke, daß Janok und sein gräßliches Küchenvolk jetzt für ihn kochten, gab Anvar eine gewisse Befriedigung.) Die Leibdiener erhielten täglich frische, saubere Arbeitskleider, und weil sie in direkten Kontakt mit den Magusch kamen, war bei ihnen gutes, anständiges Benehmen wichtig.
Anvar wurde zwischen Empfindungen der Dankbarkeit und des Grolls für die Magusch, die ihn gerettet hatte, hin- und hergerissen. Sie hatte ihn vor dem Zorn des Erzmagusch bewahrt, und ihr verdankte er es, daß sein Leben um vieles besser geworden war; aber indem sie von ihm verlangt hatte, Miathans Eid zu schwören, hatte sie ihn hier auch in einer Falle gefangen. Andererseits gab es für ihn kein anderes Leben mehr, seit Sara ihn so grausam zurückgewiesen hatte. Aber durfte er Sara das übelnehmen? Daß er mit ihr ein Kind gezeugt hatte, war die Ursache dafür, daß sie diesem Rohling von Kaufmann als Ehefrau verkauft worden war. Selbst wenn sie es in Vannors Gegenwart gewagt hätte, ihm zu helfen, welchen Grund hätte sie dafür haben sollen? Nein, sie hatte eher allen Grund, ihn zu hassen. Anvar war gebrochen und verloren. Er hatte nichts mehr – nicht einmal mehr Hoffnung. Nichts als seine Arbeit. Also arbeitete er, so hart er konnte, und hatte nur den einen Wunsch, daß seine Herrin ihm noch mehr zu tun gäbe, damit ihm weniger Zeit für seine Gedanken blieb. Elewin war zufrieden mit ihm, und Anvar genoß nach Janoks Mißhandlungen das freundliche Lob des Hofmeisters.
Die anderen Magusch nahmen kaum Notiz von den Dienern. Bei den selten Gelegenheiten, zu denen er mit ihnen zu tun hatte, fand Anvar, daß Meiriel schroff und tüchtig war, Finbarr freundlich, aber zerstreut, und Eliseth kalt und schonungslos. D’arvan sprach kaum. Davorshan und Bragar waren die beiden, vor denen man sich hüten mußte. Davorshan war schlicht ein Flegel, aber Bragar neigte zur Grausamkeit. Regelmäßig mißhandelte er seine Diener, die ihn allesamt fürchteten. Selbst Elewin versuchte, dem Feuermagusch aus dem Weg zu gehen.
Anvar hatte erwartet, daß Lady Aurian ihn, nachdem sie mit der typischen Arroganz der Magusch über sein Schicksal entschieden hatte, als ihren Diener kaum noch zur Kenntnis nehmen, geschweige denn sich um ihn kümmern würde, aber damit lag er falsch. Sie hatte immer ein Lächeln und ein freundliches Wort für ihn übrig und bedankte sich ein ums andere Mal für die Dienste, die er ihr leistete. Ihre Rücksichtnahme trug ihr wenig Respekt bei der übrigen Dienerschaft ein, und das erstaunte ihn so, daß er eines Tages seinen ganzen Mut zusammennahm und Elewin danach fragte. »Das ist sehr einfach«, sagte der Hofmeister. »Ich fürchte, der Hausdienerschaft mangelt es etwas an Phantasie, und Lady Aurian unterscheidet sich von den anderen Magusch durch ihren regelmäßigen Umgang mit den Sterblichen. Sie verletzt damit das, was die Diener als die natürliche Ordnung an der Akademie ansehen, und das macht sie ängstlich.« Seine grauen Augen blinzelten. »Ich persönlich finde es erfrischend, aber lauf nicht herum und erzähle das weiter, mein junger Freund. Und verwechsel niemals ihre Freundlichkeit mit Weichheit. Wenn du dir Freiheiten herausnimmst, dann wirst du schnell merken, daß auch sie das den Magusch eigene Temperament besitzt.«
Anvar nahm sich den Rat zu Herzen. Er ließ immer noch Vorsicht walten bei seiner Lady, die eine von dem verhaßten Maguschvolk war und der man nicht trauen konnte. Er lebte in ständiger Furcht, was geschehen würde, wenn sich erst das Gerede, er habe seine Mutter ermordet, von der Küche aus bis zur Hausdienerschaft verbreitet hätte und schließlich, wie es bei Klatsch nicht anders zu erwarten war, auch seine Herrin erreichte. Es wunderte ihn, daß der Erzmagusch es ihr nicht selbst erzählt hatte, vor allem während der Auseinandersetzung in der Garnison. Eines Morgens dann, nachdem er etwa einen Monat lang zum Hauspersonal gehörte, bemerkte er, daß die anderen Diener die Köpfe zusammensteckten und ihn mieden; da wußte er, daß sein Geheimnis sich herumgesprochen hatte. Selbst der freundliche Elewin hatte nur noch finstere Blicke für ihn übrig. Anvar war froh, daß er mit dem Frühstück für seine Lady – den warmen, weichen, frisch gebackenen Brötchen, die das einzige waren, was sie zu so früher Stunde aß, und einer großen Tasse Taillin –
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