Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
erschauderte. »Dein Vater ist ein Bastard«, sagte sie.
»Nein.« Anvar schüttelte den Kopf, sein Gesicht brannte vor Scham. »Ich bin der Bastard. Darum hat es es ja getan.« Weiter durfte er sich nicht vorwagen, konnte ihr unmöglich die ganze Wahrheit erzählen.
»Anvar!« Aurians Griff um seine Hand wurde fester und ihr Gesichtsausdruck bekam etwas Wildes. »Hör zu! Selbst wenn ich wegen der Sklaverei nichts tun kann, will ich nicht, daß man dich fälschlicherweise des Mordes bezichtigt. Ich werde noch heute morgen mit Forral sprechen. Zumindest können wir deinen Namen reinwaschen.«
Von jenem Tag an begann sich Anvars Verhältnis zu der Magusch zu ändern. Aurian ließ Forral Nachforschungen anstellen, und nachdem die Ladenbesitzer aus den Arkaden befragt worden waren, entschied der Kommandant, daß Rias Tod ein Unfall gewesen war. Aurian machte das in der Akademie bekannt, und so blieb Anvar wenigstens von den scheelen Blicken und dem anklagenden Geflüster der anderen verschont. Erst als es vorüber war, erkannte er, wie sehr diese Schuldzuschreibung, dieses Verurteilung auf ihm gelastet hatte, und – Magusch hin, Magusch her – Anvar war seiner Lady wirklich dankbar.
Aurians Freundlichkeit ihm gegenüber wurde immer ausgeprägter. Er war fast so, als versuchte sie, das, was er ungerechterweise hatte ertragen müssen, wiedergutzumachen. Wenn er in ihren Räumen arbeitete, bat sie ihn oft, sich zu ihr zu setzen und ein Glas Wein oder etwas Taillin mit ihr zu trinken; dabei wurde Anvar mit einer neuen Gefahr konfrontiert. Hier und da während ihrer Unterhaltungen ließ Aurian eine Frage über seine Vergangenheit oder seine Familie fallen, und er war um eine Antwort verlegen. Es war so leicht, mit ihr zu reden, daß er ständig in der Gefahr schwebte, den auf ihm lastenden furchtbaren Fluch des Erzmagusch auszulösen. Manchmal war er versucht, sie ins Vertrauen zu ziehen und um ihre Hilfe zu bitten, aber obschon sie soviel für ihn getan hatte, blieb sie doch eine Magusch, Miathans Liebling zudem, und irgendwie konnte er sich nie ganz dazu durchringen, ihr zu vertrauen.
Nichtsdestoweniger machte sich Anvar mit der Zeit immer mehr Sorgen um seine Lady. Sie arbeitete zuviel. Es kam ihm so vor, als versuchte sie – genau wie er selbst –, sich durch ständige Aktivitäten von ihren Sorgen frei zu machen. Wenn sie vom Schwerttraining oder von ihrem Unterricht im magischen Heilen bei Meiriel zurückkam, wirkte sie völlig erschöpft, und Anvar wunderte sich oft über die Traurigkeit, die ihre Züge überschattete. Sie verbrachte immer weniger Zeit in der Garnison und ging schließlich nur noch zum Morgentraining dorthin. Anvar fragte sich bald, ob Aurians unglückliche Stimmung irgendwie mit Forral zu tun haben könnte.
Was er sicher wußte, war, daß ihr Miathan mit seinen Aufmerksamkeiten lästig wurde. Miathan hatte es sich inzwischen angewöhnt, Aurian zu merkwürdigen Zeiten zu besuchen – spätabends oder am Morgen, wenn sie vom Fechttraining aus der Garnison kam und zu baden pflegte. Er überhäufte sie mit Geschenken und fand ständig irgendwelche Vorwände, um sie zu berühren. Anvar sah die glühende Besitzgier in den Augen des Erzmagusch und hatte Angst um Aurian.
Da seine Furcht vor Miathan unvermindert anhielt, machten Anvar dessen häufige Besuche nervös. Denn Aurian hatte begonnen, ständig neue Vorwände für die Anwesenheit ihres Dieners in ihren Räumen zu finden, wenn der Erzmagusch bei ihr war, und sie dachte sich zahllose schwierige Aufgaben aus, um Anvar dortzubehalten. Anvar konnte es ihr kaum übelnehmen – eigentlich war er erleichtert, daß sie sich instinktiv zu schützen versuchte, obwohl es für ihn so aussah, als reagiere sie auf Miathans Benehmen eher mit Ratlosigkeit als mit Abwehrbereitschaft. Es war zwar kaum zu glauben, aber sie betrachtete Miathan fast als einen Vater und konnte einfach nicht glauben, daß er ihr Vertrauen in ihn mißbrauchen könnte.
Aurian mochte der Wahrheit vielleicht nicht ins Auge sehen wollen, aber für Anvar gab es keinen Zweifel. Während seiner Arbeit spürte er, wie sich Miathans Blick in seinen Rücken bohrte, und wenn er sich zu ihm herumdrehte, konnte er dem mit Abscheu und Feindschaft geladenen, grausamen Blick nicht ausweichen – er enthielt eine unmißverständliche Drohung. Der Gedanke, dem Erzmagusch in die Quere zu kommen, ließ ihn vor Angst zittern. Miathan war keiner, der sich seine Pläne vereiteln ließ, und Anvars
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