Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
Junge. Wenn man dort ist, fällt es einem leicht, nicht so viel darüber nachzudenken. Aber wenn man wieder herauskommt und zurückdenkt …« Er drehte sich zwinkernd zu dem jüngeren Mann um. »Bist du nicht auch ein wenig neugierig? Willst du nicht herausfinden, was da vor sich geht und was mit D’arvan und Maja geschehen ist? Glaubst du, Parric hätte sich, wenn er dort gewesen wäre, damit zufriedengegeben, rumzusitzen und nicht herauszufinden, was los ist? Glaubst du, Forral hätte das getan?«
Fional grinste. »Aber natürlich nicht. Da hast du ganz recht. Schließlich ist es unsere Pflicht , herauszufinden, was aus unseren verschwundenen Freunden geworden ist.«
»Guter Junge!« Hagorn schlug dem Bogenschützen auf die Schulter. »Ich sag dir etwas – sobald wir erledigt haben, was zu erledigen uns aufgetragen ist, und ins Tal zurückkommen, wollen wir beide, du und ich, diesem Geheimnis ein und für allemal auf den Grund gehen.«
»Abgemacht!« Der junge Bogenschütze streckte die Hand aus, und Hagorn ergriff sie, um ihr Abkommen zu besiegeln.
»So«, sagte er nun energisch. »Je schneller wir gehen, um so eher kommen wir zurück und können uns um die Sache kümmern. Paß gut auf dich auf, junger Fional – und hol dir nicht alle hübschen, jungen Nachtfahrermädchen in dein Bett!«
Selbst in der herannahenden Dunkelheit konnte Hagorn sehen, wie das Gesicht des jüngeren Manns tiefrot anlief, und er grinste. Fional war ungeheuer schüchtern, wenn es um Frauen ging. »Wäre schön, wenn ich die Chance dazu hatte«, gab der Bogenschütze zurück. »Gute Reise, du alter Schurke – und trink nicht alles Bier in Nexis!«
Mit einem Abschiedsgruß machten sich nun die beiden Krieger, der alte und der junge, auf den Weg und gingen in entgegengesetzten Richtungen über die dunklen, gefrorenen Moore, jeder seinem eigenen Ziel entgegen. Vannor lief, eingehüllt in einen undurchdringlichen Umhang aus Schweigen, neben Hagorn her.
Hagorn manövrierte sein schweres Bündel auf seinen Schultern in eine bequemere Position und marschierte mit dem stetigen, schnellen Schritt, den er in vielen Jahren langer und mühsamer Wanderungen entwickelt hatte. Er war ängstlich darauf bedacht, vor der Abenddämmerung eine möglichst große Wegstrecke zurückzulegen, denn obwohl sich nach dem Massaker, das unter Angos und seinen Männern angerichtet worden war, kein Feind im Tal gezeigt hatte, hatte er keine Ahnung, ob die Moore hier draußen nicht doch noch immer bewacht wurden. Zweiundfünfzig Jahre waren ein seltenes Alter für einen Soldaten,’ und Hagorn hätte es ohne ein klein wenig gesunden Menschenverstand und Vorsicht – und, wie er bei aller Bescheidenheit glaubte, schlichter Geschicklichkeit – nicht geschafft, so alt zu werden. In diesem Geschäft war es nicht weniger wichtig, zu wissen, wie man Ärger aus dem Wege ging, als sich darauf zu verstehen, mit ihm fertig zu werden.
Vannor war jedoch unglücklicherweise ein Ärgernis, dem er nicht mehr aus dem Wege gehen konnte. Hagorn warf dem Kaufmann einen besorgten Seitenblick zu. Dieses unheimliche Schweigen ging auf einen Schock zurück, und das war keine Überraschung. Der arme Vannor – wie schrecklich, innerhalb eines Monats seine angebetete Frau und seine geliebte Tochter zu verlieren! Hagorn hatte jedoch vor allen Dingen Angst vor dem, was der Kaufmann tun würde, wenn der Schock sich erst gelegt hatte.
Doch trotz seiner Besorgnis um den Mann an seiner Seite und das arme, dumme Mädchen, das sich ganz allein in eine gefährliche Situation begeben hatte, schöpfte der alte Soldat wieder frischen Mut, als er daran dachte, daß nun endlich wieder Taten vor ihm lagen. Ein Krieger durch und durch, hatte er dem einfachen Leben im Tal zutiefst mißtraut – es war ja gut und schön, zu sagen, daß irgendeine geheimnisvolle Macht den Rebellen half, aber indem sie müßig auf der faulen Haut lagen, taten sie wahrlich nicht viel, um dem Erzmagusch Einhalt zu gebieten. In der Tat, dachte der alte Soldat, was immer uns da in dem Tal beschützt hat, hat uns zugleich vom Kampf ferngehalten, als wären wir Gefangene gewesen.
Es war eine große Erleichterung für ihn, in Fional endlich einen Verbündeten zu finden. Hagorn hatte im Tal das Gefühl gehabt, sehr vorsichtig sein zu müssen und seine Zweifel besser für sich zu behalten. Etwas kam den Gesetzlosen dort offensichtlich zu Hilfe – ein Etwas, das seine Identität nicht preisgeben wollte. Man konnte in diesem
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