Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
ich die Verzögerung hasse, müssen wir Vorbereitungen treffen, bevor wir ins Gebirge aufbrechen. Zum einen müssen die Pferde sich ausruhen – wir haben nicht mehr genug Reittiere, da Anvar und ich die unseren in dem Sandsturm verloren haben – und außerdem müssen wir eine Möglichkeit finden, wärmere Kleider anzufertigen, müssen ein Lager mit Nahrungsmitteln anlegen …«
»Aber da besteht doch keine Eile, Aurian«, unterbrach sie Nereni. »Wie können wir denn weiterziehen, bevor dein Kind geboren ist?«
»Was?« Aurian starrte sie entsetzt an. Anvar, der sie beobachtete, hielt den Atem an.
»Hast du das denn nicht bedacht?« Nereni wirkte schockiert. »Aurian, wie kannst du in deinem Zustand gleich wieder aufbrechen? Möchtest du etwa, daß das arme, kleine Ding mitten in einer Schneewehe zur Welt kommt?« Sie senkte ihre Stimme zu einem einschmeichelnden Flüstern. »Es sind jetzt keine drei Monate mehr – die kannst du doch sicher abwarten, um des Kindes willen?«
Aurian wurde sehr bleich, und Anvar, der sie wie immer beobachtete, spürte, wie ihr sein Herz entgegenflog. Nerenis Worte über das Risiko für ihr Kind hatten sie tief getroffen. Bei den Göttern, gerade erst hatten sie die Wüste überlebt, und jetzt das hier. Müssen wir denn immer in solcher Eile sein? dachte er. Er verstand Aurians dringendes Bedürfnis, den Kampf mit dem Erzmagusch aufzunehmen, aber das Kind war ihre letzte Verbindung zu Forral. Anvar sah sich in dem vom Feuer erleuchteten Kreis um. Yazour und Eliizar nickten zu Nerenis Worten. Nur Bohan, der wie immer auf der Seite seiner geliebten Aurian stand, sah unglücklich und zerrissen aus. Nur Bohan – und er selbst, Anvar. Aurian richtete, als hätte sie seine Gedanken gelesen, einen gequälten Blick auf ihn. »Miathan weiß, wo wir sind«, sagte sie. Er hörte die Unsicherheit aus ihrer Stimme heraus. »Er könnte uns hier angreifen.«
»Das könnte er tatsächlich.« Bei der Erinnerung an ihre letzte Begegnung mit dem Erzmagusch fiel es Anvar schwer, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Aber wir sind bisher zurechtgekommen, und es ist eine Frage des Risikos. Wenn du jetzt in die Berge gehst, wirst du mit Sicherheit das Kind gefährden.« Er biß sich auf die Lippe und wandte, mit seinem eigenen Gewissen ringend, den Blick ab. »Ich würde dir raten, abzuwarten, aber mit jedem Tag, der vergeht, wächst Miathans Vorteil. Ich werde dir helfen, wo ich nur kann, Aurian, aber am Ende ist es deine Entscheidung. Du weißt, ich werde dir immer helfen, ganz gleich, wie du dich entscheidest.«
Von seinem Aussichtspunkt jenseits des Brunnens der Seelen knirschte Forral frustriert mit den Zähnen. Dieser törichte Junge ging die Sache vollkommen falsch an. »Warum hilfst du ihr nicht?« murmelte er. »Wenn ich nur dort wäre, dann hätte ich …« Forral zögerte. Was genau hätte er denn zu Aurian gesagt? Das arme Mädchen – wie zerrissen sie sein mußte zwischen der Notwendigkeit, ihr Kind zu beschützen, und dem Drang, nach Norden zu eilen, um Miathan Einhalt zu gebieten.
Als Soldat wußte Forral alles über Pflicht. Aber etwas, womit er nicht gerechnet hatte, war die wilde, beschützende Liebe eines Vaters zu seinem Kind – selbst wenn es noch nicht einmal geboren war. Plötzlich war der Schwertkämpfer geradezu beschämend froh darüber, daß die Entscheidung nicht in seinen Händen lag. Aber wozu würde Aurian sich entscheiden? Er spähte noch einmal in den Brunnen und suchte den Wald ängstlich nach einem Bild seiner Liebsten ab.
Aurian zögerte. Sie sah unglücklich und unentschlossen aus. Rabe, die spürte, daß ihr der Augenblick zu entschlüpfen drohte, wußte, daß sie schnell handeln mußte. »Aurian.« Sie beugte sich vor und berührte die Magusch am Ärmel, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. »Es wäre sicherer, so bald wie möglich aufzubrechen.«
»Was meinst du damit?« Aurian fuhr stirnrunzelnd herum. Rabe holte tief Luft. Sie war mit Harihn übereingekommen, diese Information nur dann zu benutzen, wenn alles andere scheiterte, aber anscheinend hatte sie keine andere Wahl.
»Ich habe heute während der Jagd etwas entdeckt«, sagte sie. »Harihn und seine Leute haben ebenfalls ihr Lager hier aufgeschlagen – am Nordrand des Waldes.«
»Was?« rief Aurian entsetzt. »Harihn ist hier? Wie kannst du dir da so sicher sein? Du hast ihn doch nie gesehen.«
»Es muß der Prinz sein«, erwiderte das geflügelte Mädchen hastig. »Sie tragen
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