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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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windgeschützten Ecke einer zerfallenen Schießscharte zusammenkauerte, hätte sie um ein Haar den Mut verloren. Aber er blickte auf, denn er war sich wie immer ihrer Gegenwart bewußt, und der Anblick seines traurigen, müden Gesichts stärkte ihre Entschlossenheit. Sie hockte sich neben ihn, aber ihre Worte gingen in dem Heulen des Windes unter. »Komm hinein, Anvar!« rief sie. »Du frierst dich noch zu Tode!«
    Die obere Kammer des Turms besaß einen Kamin und einige wenige, von Spinnweben überzogene alte Möbelstücke mit merkwürdigen Mustern, die die Geflügelten benutzt haben mußten, als sie hier Wache gehalten hatten. Anvar schmetterte einen hohen Hocker gegen die Wand und warf die Trümmer in die Feuerstelle, wo er sie mit einem zischenden Feuerball entzündete. Als die Flammen aufloderten, machte er sich über die Überreste eines spindeldürren Tisches her, und Aurian trat, als sie seinen grimmigen Gesichtsausdruck bemerkte, unwillkürlich einen Schritt zurück. Seine ersten Worte waren eine vollkommene Überraschung für sie.
    »Aurian, du bist wohl nicht ganz bei Trost, daß du diese halb verrottete Leiter benutzt hast! Wenn du gestürzt wärst, hättest du das Kind verlieren können!« Dann schien er sich plötzlich seiner Worte bewußt zu werden und wandte sich von ihr ab. »Nicht, daß es mich etwas anginge«, murmelte er, und seine Stimme war voller Bitterkeit.
    Aurian holte tief Luft und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Es geht dich sehr wohl etwas an, Anvar«, sagte sie sanft. »Das heißt – wenn du es immer noch möchtest.«
    Einen Augenblick lang stand er einfach reglos da. Dann drehte er sich um und sah ihr ins Gesicht. »Wie meinst du das?« fragte er.
    Aurian schluckte, und ihre Kehle war plötzlich trocken. »Ich hätte schon früher etwas sagen sollen – vielleicht nach der Wüste oder ganz gewiß nach der Lawine heute. Aber ich hatte solche Angst.« Ihre Stimme begann zu zittern. »Oh, verflucht noch mal!« Sie schniefte und fuhr sich mit dem Ärmel über ihre Nase. Dann versuchte sie, sich von ihm zu lösen, aber er hielt sie fest.
    »Weißt du, ich glaube, diese abscheuliche Angewohnheit werde ich dir wohl nie mehr austreiben!« Aller Zorn war aus Anvars Gesicht gewichen. Er führte sie ans Feuer und half ihr, sich auf dem Boden neben dem Kamin niederzusetzen. ‘ Dann nahm er die Trümmer des zerbrochenen Tisches und legte sie in die ersterbenden Flammen, während Aurian weitersprach, bevor sie den Mut dazu verlor. »Ich habe dich glauben lassen, daß ich dich nicht liebte, aber das war eine Lüge. Ich habe auch mich selbst belogen. Ich hatte Angst, denn nach Forrals Tod wollte ich solchen Schmerz niemals mehr erleben! Und wir sind in so großer Gefahr …«
    »Und wo liegt das Problem? Du hast Angst, ich könnte auch getötet werden? Oh, mein Liebling …« Anvar legte seine Arme um sie und hielt sie ganz fest an sich gedrückt, bis Aurian endlich seine Umarmung voller Glück erwiderte. Sie genoß seine Nähe und seine Berührung und spürte das Rasen seines Herzens, das zu dem freudigen Schlagen ihres eigenen paßte. Aber da war noch etwas, etwas sehr Wichtiges, das sie bisher ungesagt gelassen hatte.
    Sie hob ihr Gesicht von Anvars Schulter, um ihn anzusehen. »Ich kann Forral nicht vergessen, weißt du«, sagte sie bleich. »Selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht wollen.«
    Anvar schüttelte den Kopf. »Ich erwarte nicht von dir, daß du ihn vergißt, mein Liebstes, und genausowenig werde ich ihn je vergessen. Forral war mir ein wahrer Freund, und ich halte seine Erinnerung in Ehren. Die Dinge haben sich so schnell entwickelt nach seinem Tod, und mir wäre es lieber, wenn du mit deinem ganzen Herzen zu mir kämst, als geplagt von Zweifeln.«
    Aurian streckte die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren. »Ich habe genug Zweifel gehabt.« Sie ließ ihre Handflächen über seine breiten Schultern gleiten, schmiegte sich eng an ihn – und versteifte sich, als ein schnarrendes Geräusch über ihrem Kopf das zarte Gewebe von Liebe und Sehnsucht, das Anvar und sie eingehüllt hatte, plötzlich zerriß.
    »Anvar – hast du das gehört?«
    Anvars Augen waren vor Schreck geweitet. »Es ist auf dem Dach …«
    Die Falltür in der Decke flog auf, und seine Schneelast klatschte donnernd auf den Boden, während gleichzeitig ein Strom winterkalter Luft die schwache Wärme des Zimmers durchströmte. Fluchend quälte Aurian sich auf, als ein Paar Beine auf der zerbrechlichen Leiter

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