Die Asche der Erde
und stand auf. »Was suchst du hier, Kind? Woher kommst du?«
Mischa blickte wie ein gehetztes Tier hierhin und dorthin. Als sie wieder hinauswollte, schob die Haushofmeisterin die Vorhänge auseinander und versperrte ihr den Weg. Erleichterung malte sich in ihren hochmütigen Zügen.
»Wie ist sie hereingekommen?« fragte die andere.
Die Haushofmeisterin trat in den Raum. »Ich weiß es nicht.«
Die Stimmung dieses Raumes war von warmen Brauntönen bestimmt, und als Mischa nach einer Fluchtgelegenheit Ausschau hielt, bemerkte sie, daß die hohen Wandregale auf allen Seiten Bücher enthielten, mehr Bücher, als sie jemals gesehen oder irgendwo im Zentrum vorhanden geglaubt hatte.
»Weiter kommt sie nicht«, sagte die Wächterin.
Sie faßte nach Mischa, die den kräftigen Fingern auswich und in eine Öffnung zwischen den Bücherregalen stürzte. Die Wächterin setzte ihr nach und versuchte sie festzuhalten, aber Mischa hieb ihr mit der Handkante auf den Unterarm, daß sie mit einem Schmerzenslaut losließ. Mischa floh durch einen schmalen Gang und eine Treppe hinauf. Oben stieß sie auf einen quer verlaufenden Korridor, wandte sich blindlings nach rechts, die Schritte ihrer Verfolgerinnen im Ohr, und rannte auf eine Flügeltür zu.
Feuchtheiße, mit Parfümduft geschwängerte Luft schlug ihr entgegen. Dichter weißer Dampf wallte um sie her, und der Fliesenboden unter ihren Füßen war schlüpfrig. Aus vollem Lauf abbremsend, geriet sie ins Schlittern und konnte sich mit knapper Not am Rand eines tiefen blauen Schwimmbeckens halten. Ehe sie zur Besinnung kommen konnte, tauchte die Gestalt der Wärterin aus dem Dampf auf, und Mischa rannte den Beckenrand entlang weiter.
»Halt! Bleib stehen!«
Mischa ignorierte den Befehl; die Stimme gehörte der Haushofmeisterin, die nun bewaffnet war. Vor ihr zeigte sich die Öffnung eines zweiten Ausgangs durch die Dampfwolken, und sie hielt darauf zu und stürzte durch die halb zurückgezogenen Vorhänge in einen hellen, mit weichen Teppichen ausgelegten Raum.
»Was soll das?«
Die Stimme war befehlsgewohnt. Mischa machte schnaufend halt und blickte zu Blaisse auf. Hinter ihr platzten die Verfolgerinnen herein und erstarrten, als sie sich dem Herrscher gegenübersahen.
Blaisse trug einen langen seidenen Morgenmantel. Das feuchte Haar umrahmte sein Gesicht mit herabhängenden Strähnen. Seine grauen Augen waren hart und nicht weniger gebieterisch als seine Stimme. Sie kontrastierten scharf mit seinem Gesicht, das rund und wohlgenährt war. Hinter ihm stand eine Sklavin, ein sehr junges Mädchen mit silbrig-blauem Haar und seltsam bläulich getönter brauner Haut. Zu ihrem Lendenschurz trug sie mehrere Armreifen und eine mit Saphiren besetzte silberne Halskette.
»Nun?«
Aufgeschreckt aus ihrem betretenen Stillschweigen, überstürzte sich die Aufseherin: »Das – das Mädchen ist eine Diebin ...«
»Weg mit der Waffe!« brüllte Blaisse.
Die Haushofmeisterin zuckte zusammen, starrte erbleichend auf die Laserlanze in ihrer Hand, als habe sie sie nie gesehen. Die Wächterin nahm sie ihr aus der Hand und steckte sie in die Lederschlinge an ihrer Seite.
»Ich bitte um Vergebung, Herr. Ich habe nicht gedacht ...« Ihr Hochmut war verflogen.
Blaisse wandte sich wieder Mischa zu. Sein plötzlicher Zornesausbruch war vergessen, eine ironische Ruhe ging von ihm aus. Der augenblickliche Stimmungsumschwung war echt und dadurch um so verwirrender für Mischa. »Sag mir, was du hier willst, Kind«, sagte er. »Warum hast du dich eingeschlichen?«
»Ich bin keine Diebin«, sagte sie. Im auf die Gegenwart eingeschränkten Sinne war das richtig; sie war nicht gekommen, um zu stehlen. »Ich möchte auf Euren Schiffen arbeiten.«
Die Haushofmeisterin machte ein beleidigtes Gesicht, und die Wächterin unterdrückte ein Kichern. Blaisse lachte. »Vielleicht möchtest du, daß ich dir mein Reserveschiff gebe? Meinst du, du kannst es in den Sandstürmen draußen fliegen?«
»Dummes Ding«, sagte die Wächterin. »Erlaubt, daß ich sie hinauswerfe, Herr.«
»Haben Sie Dienst?« fragte Blaisse.
Die Wächterin bejahte.
»Ich wäre nicht an ihr und den anderen vorbeigekommen, wenn ich nicht gut genug wäre, um an Bord eines Schiffes zu arbeiten«, sagte Mischa.
Die Wächterin runzelte die Stirn. »Laufen kann sie«, räumte sie ein. »Und um sich schlagen.«
»Ich heuere grundsätzlich keine Einheimischen an«, sagte Blaisse. »Schon gar nicht Kinder.«
»Das ist
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