Die Asche der Erde
töricht.«
Blaisse richtete sich verärgert auf, offensichtlich am Ende seiner Geduld. »Weißt du, wen du vor dir hast?«
»Ja.«
Er zog seine dunklen Augenbrauen zusammen und musterte Mischa, verwundert über soviel Kühnheit. Sie konnte eine neugierige Regung in ihm wahrnehmen, die seine Verärgerung aufzulösen begann, und faßte Hoffnung. Die junge Wächterin hinter ihr befühlte die blutunterlaufene Anschwellung an ihrem Unterarm und wunderte sich über den Schmerz, während die Haushofmeisterin undurchsichtig blieb.
»Was hat das zu bedeuten?«
Die Neugierde des Herrschers löste sich auf; die Wächterin vergaß ihren Schmerz und projizierte Gefühle der Abneigung und Geringschätzung.
In der Türöffnung auf der anderen Seite des Raumes war die ›Herzogin‹ erschienen, wie Clarissa, die Gemahlin des Herrschers, sich gern nennen ließ. Sie hatte die hohe Stirn und Bakkenknochen, den breiten, schmallippigen Mund und die spitze Nase, die charakteristisch waren für ihre Familie, die bis zu ihrer Eheschließung mit Blaisse den Zugang zur Außenwelt kontrolliert hatte. Sie hatte hellziegelrot gefärbtes Haar, und ihre Augen glitzerten wie Juwelen und wechselten die Farbe, wenn sie sich bewegte. »Ist es unmöglich geworden, daß man ungestört schlafen kann?« Ihre Stimme war durchdringend und metallisch, der Tonfall gereizt. Als sie mit gleitenden Schritten näher kam, fing Mischa eine Prise ihrer Empfindungen auf. Es war weder Zorn noch Verärgerung darin, nur Überdruß und Langeweile.
Die Haushofmeisterin neigte den Kopf. »Ich bedaure die Störung, gnädige Frau.«
Clarissas Leibwächter folgte ihr in den Raum, ein hünenhafter Mann, dunkelhäutig und mit krausem Haar, aber seltsam hellen Augen. Er trug einen Lendenschurz mit einem juwelenbesetzten Dolch, schwere Armreifen an den muskulösen Oberarmen und einen Rubin im Nabel. An seinem Fußgelenk klirrte eine kleine goldene Kette.
»Es ist schon erledigt, Clarissa«, sagte Blaisse und nickte der Aufseherin zu. »Madame, werfen Sie das Mädchen hinaus.« Er schien die Anrede gewohnheitsmäßig zu gebrauchen, nicht aus Respekt oder Hochachtung.
»Einstweilen mag es erledigt sein«, entgegnete Clarissa, »aber was soll später werden, wenn das Volk erfährt, daß man unbehelligt hier hereinspazieren kann?«
»Niemand sonst wird hereinkommen, um deinen Schlaf zu stören.«
Sie seufzte und machte eine abwinkende Geste. »Als ob du das so genau wüßtest«, sagte sie. »Hätte ich nicht meinen Leibwächter, ich müßte mich fürchten.« Damit lehnte sie sich gegen den athletischen Sklaven und neigte den Kopf zur Seite, daß ihr langes Haar ihm über die Schulter fiel. Mischa biß die Zähne zusammen und schloß sie alle mit einer Willensanstrengung aus ihrem Bewußtsein aus: Blaisse und seine Verärgerung, Clarissa und ihre lüsterne Langeweile, die Wächterin mit ihrem schmerzenden Arm, den stumpfsinnig-ergebenen Leibwächter, die unzugängliche Haushofmeisterin.
Blaisse schüttelte den Kopf und seufzte. »Madame, tun Sie, wie Ihnen geheißen wurde.« Er blickte zur Wächterin. »Sie haben bis vierundzwanzig Uhr Dienst?«
»Jawohl, Herr.«
»Versehen Sie Ihren Dienst in Zukunft sorgfältiger«, sagte er. »Sollte es noch einmal vorkommen, daß Sie unbefugte Personen wie diesen Balg hier nicht am Betreten meiner Gemächer hindern können, so werden Sie Ihre Talente beim Reinigungspersonal beweisen können.«
»Jawohl, Herr.« Die Wächterin ging hinaus.
»Kämmt Euch die Haare mit den Füßen«, sagte Mischa.
Die Aufseherin ohrfeigte sie. Mischa nahm es ohne Reaktion hin, den zornigen Blick auf Blaisse fixiert, der aufstand und mit der Hand nach ihr wedelte, als wäre sie ein lästiges Insekt oder ein schlechter Geruch. »Du kannst dich glücklich schätzen. Ich sollte dir die Haut abziehen lassen«, sagte er; zur Aufseherin gewandt, fügte er scharf hinzu: »Schafft sie fort!« Darauf machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
»Ich bin überrascht, Madame«, sagte die Herzogin mit einem bösen Lächeln. »Wie konnte das geschehen?«
»Es wird nicht wieder vorkommen, gnädige Frau.«
»Ich hoffe es. Lassen Sie sie vor meinen Cousin bringen, den Richter; sie bekommt zwanzig Peitschenhiebe, als Warnung.« »Der Herr wünschte ...«
»Noch ein Wort, und ich lasse dich mit ihr auspeitschen – Sklavin!« Ihre Augen blitzten.
»Ja, gnädige Frau.«
»Das ist besser.« Sie nickte ihrem Leibwächter zu und schritt hinaus.
Scharfe
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