Die Asche der Erde
einer Tasse Tee. »Wer sind die beiden?« fragte Mischa, als sie ihren Tee getrunken hatte.
»Subeins und Subzwei?«
Sie nickte. Er hätte ihr nur den Klatsch weitererzählen können, den er gehört hatte, und nichts davon war erfreulich. Hätte Mischa den Wunsch gehabt, sich für längere Zeit Subzweis Mannschaft anzuschließen, so hätte er seine Abneigung gegenüber der Wiederholung unfundierter Geschichten möglicherweise zurückgestellt, doch wie die Dinge lagen, sah er keine Veranlassung, die Pseudozygoten zu Ungeheuern zu machen. »Niemand weiß viel über sie«, sagte er. »Sie sind sehr zurückhaltend, was Auskünfte über ihre Vergangenheit betrifft.«
»Sie sind nicht wie die anderen, die hierherkommen.«
»Sie sind auch anderwärts Ausnahmeerscheinungen«, sagte er. »Es heißt, sie seien das Produkt von Experimenten. Schwer zu sagen, unter welchen Bedingungen sie aufwuchsen.« Er sagte ihr nicht, daß ein Gerücht wissen wollte, sie hätten den für diese Bedingungen Verantwortlichen ermordet.
Er nahm einen Bissen vom Teller und kaute darauf herum. Er war nicht hungrig, und der Geschmack wie die Beschaffenheit des Frühstücks mißfielen ihm ebenso wie den Mitgliedern der Besatzung. Die Aromen waren künstlich und entweder zu stark oder nicht stark genug, um den Geschmack von Hefe und bakteriellem Chlorophyll zu überdecken. Lustlos stieß er das zähe Backwerk mit der Gabel auf seinem Teller herum.
»Fehlt Ihnen was?« Sie schien das Frühstück mit Appetit zu verzehren.
Er legte die Gabel aus der Hand. »Mein Körper hat etwas gegen das viele Herumreisen, nehme ich an.«
»Es gibt ein paar Stellen, wo man Lebensmittel von draußen bekommen kann. Sie sind teuer, aber viele Fremde scheinen zu denken, daß die Ausgabe sich lohnt.«
»Ich habe schon seit längerem nicht viel Hunger«, sagte Hikaru achselzuckend. »Das hat nichts zu sagen.«
Sie schien im Begriff, etwas darauf zu erwidern, ließ es aber sein. Der Umgang mit Messer und Gabel schien ihr ungewohnt, und ihre Tischmanieren ließen zu wünschen übrig, doch war sie nicht eigentlich ungehobelt. Ihre Zurückhaltung und Beherrschung verhalfen ihr zu einer Art natürlicher Anmut und Nachdenklichkeit, die er als angenehm empfand, selbst wenn er es nur am Rande bemerkte. Als sie ihren Teller geleert hatte, schob er den seinen mit den Resten des Frühstücks von sich, nickte ihr zu und stand auf. »Fangen wir an.«
Sie kehrten zurück zu seinem Zimmer. Er zeigte ihr seinen Datenanschluß, erklärte die Funktionen und machte ihr vor, wie man von der gespeicherten Bibliothek Texte anforderte. Sie berührte das Gerät mit zögernder Behutsamkeit, als befürchtete sie, es könne unter ihren Fingerspitzen zerspringen.
»Richtige Bücher sind natürlich befriedigender für Auge und Gemüt«, sagte er entschuldigend.
Mischa blickte halb neugierig, halb erheitert zu ihm auf. »Meinen Sie wirklich, daß es darauf ankommt?«
»Ich bin davon überzeugt. Natürlich kann ich mich irren.« Aber er hatte immer gefunden, daß das Wort ›Buch‹ mehr war als eine bloße Bezeichnung: beinahe etwas wie Lautmalerei. In seinem Elternhaus hatte es wändefüllende Regale voller Bücher gegeben, jedes von seiner eigenen Individualität in Ausstattung, Druck und Einband, vom faszinierenden Inhalt nicht zu reden. In der selbstvergessenen Lektüre dieser Bücher hatte er stumme Zwiesprache mit den Autoren gehalten, hatte mühelos zu Leitbildern und Identifikationen gefunden. Was war dagegen die ermüdende, eintönige Prozession der fluoreszierenden grünen Wörter auf dem dunkelblauen Bildschirm des Datenanschlusses? Hier konnten Ästhetik und Poesie nicht gedeihen, hier brachten elektronische Perfektion und fantasielose Einheitlichkeit den Gedanken um und drängten sich zwischen ihn und den Autor. Dennoch hatte er alles Verständnis für die Notwendigkeit zur Raumeinsparung in einem Schiff. Die allgemeine Datenbank enthielt auf engstem Raum eine fast unvorstellbare Informationsmenge und besaß nach Sachgebieten geordnete, auswechselbare Speichereinheiten für die Bibliothek. Hikaru zeigte Mischa die Kodierungen und demonstrierte die Abruftechnik am handlichen Datenanschluß. Mischa lauschte seinen Erklärungen mit ausdrucksloser Miene, aber er hatte ihr rasch aufblitzendes und ebenso schnell wieder verstecktes Interesse gesehen. Nie brauchte er eine Anweisung zu wiederholen.
Nachdem er ihren Eifer und ihre zupackende Auffassungsgabe erkannt hatte, faßte er
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