Die Asche der Erde
abführen lassen.«
»Ich arbeite für Subzwei. Sie können mir nichts anhaben.«
Die Frau musterte Mischa mit hochgezogenen Brauen. »Dann müssen wir zu ihm gehen, damit er deine Behauptung bestätigen oder widerlegen kann.«
»Das ist nicht notwendig.«
Der Türvorhang von Jan Hikarus Raum fiel wie ein Umhang von seinen Schultern, als er in die Öffnung trat. »Sie sagt die Wahrheit.«
»Übernehmen Sie die Verantwortung?«
»Ich habe sie bereits.«
»Nun gut.« Sie klopfte sich die Wade mit dem Peitschenstiel und wandte sich zum Gehen.
»Ich sagte Ihnen, daß ich nicht hier war, um zu stehlen«, sagte Mischa.
Die Aufseherin blickte skeptisch zurück. »Das«, erwiderte sie, »bleibt abzuwarten.«
Mischa errötete; Jan Hikarus undurchdringliches Lächeln war kaum geeignet, ihren verletzten Stolz zu heilen. Es war, als wüßte er alles, was je geschehen war oder geschehen würde, als beobachtete er die Ereignisse lediglich zu seinem eigenen Vergnügen.
»Was ist so lustig daran?« fragte sie zornig.
»Nichts«, sagte er. »Es ist unwichtig. Nun, da wir beide auf sind: Möchtest du Tee?«
»Ich weiß nicht, was das ist.«
»Subzwei hatte recht«, sagte er. »Deine Ausbildung ist vernachlässigt worden.«
Mischa saß in Hikarus Zimmer auf dem Teppich, schlürfte heißen Tee und betrachtete die kleinen Überreste der Blätter, die vom Aufguß in die Tasse geraten waren.
»Konntest du nicht schlafen?«
Mischa machte eine unbestimmte Bewegung. »Ich weiß gern, was um mich ist.«
Er ließ den Tee in seiner Tasse kreisen. »Ach so.«
Mischa sah, daß er sie durch den Dampf beobachtete, der seiner Teetasse entstieg. Die Wandbespannungen seines Raumes waren braun und ohne Schmuck. Vor ihrem Hintergrund nahm er sich, mit untergeschlagenen Beinen auf dem bronzefarbenen Teppich sitzend, geheimnisvoll und sehr fremdartig aus. Alles, was Mischa von seinen Emotionen wahrnehmen konnte, war eine tiefe, traurige Ruhe; es mußte noch sehr viel mehr dahinter sein, aber sie konnte es nicht erreichen.
»Weißt du, was du tust?« fragte er plötzlich.
»Ja.«
»Ist es das, was du willst?«
Sie konnte nicht gleich antworten; er hatte genau die richtige Frage gestellt. »Es ist für mich die einzige Möglichkeit, die Erde zu verlassen.«
Er nippte von seinem Tee. »Ist es der Mühe wert?«
»Was kümmert es Sie?« fuhr sie auf. »Und was gibt Ihnen das Recht, zu urteilen? Sie tun das gleiche.«
»Nun, nicht ganz.«
»Sie gehören zu Subzwei. Das macht Sie zu einem Piraten.«
»Ich begleitete eine Freundin, die zur Erde zurückkehren wollte. Um ihr den Wunsch erfüllen und danach wieder abreisen zu können, mußte ich an Bord dieses Schiffes gehen.«
»Was ist geschehen?« fragte sie, obwohl sie es bereits zu wissen glaubte. Wenn sie seinen Schmerz auch nicht fühlen konnte, so sah sie ihn doch in seinen Augen, zu neu und zu tief, um ihn zu verbergen.
»Sie ist tot«, sagte er nach einer Weile.
Mischa konnte nur still dasitzen, voll Unbehagen über ihre Unfähigkeit, Trost zu spenden.
»Sie wäre hier nicht glücklich geworden«, sagte Hikaru bitter. Er stellte seine Tasse aus der Hand und nickte ihr zu. »Leg dich wieder schlafen. Und bleib in deinem Zimmer.«
Er wollte aufstehen, aber Mischa kam ihm zuvor und hielt ihn mit einer Berührung seiner Schulter zurück. »Das ist es, was ich meine«, sagte sie und verließ ihn.
8
Subzwei hörte das leise Kratzen an seiner Tür und wandte den Blick von den tanzenden Zahlen auf dem Bildschirm seines Datenanschlusses. »Kommen Sie rein!«
Die Aufseherin trat ein und stand vor ihm. Er lächelte, erfreut, sie zu sehen. Erst wenige Tage waren vergangen, seit er sie zuletzt gesprochen hatte, aber es schien ihm viel länger. »Guten Abend.«
»Herr.«
»Was ist passiert?« Er hatte inzwischen die Feinheiten ihrer Sprache gelernt, die Modulationen, die bedeuteten, daß sie eine Frage zu stellen wünschte oder einen Vorschlag machen wollte, sich durch Protokoll und Erziehung jedoch daran gehindert sah. Er war Direktheit gewohnt, aber Direktheit war ihr verwehrt.
»Da ist ein junges Mädchen ...«
»Das ist in Ordnung. Ich sagte der Kleinen, daß sie bleiben kann.«
»Sie ist eine Diebin, Herr.«
»Ich weiß. Sie sagte es mir.«
»Sie vertrauen ihr?«
»Sie ist mehr an dem interessiert, was ich ihr geben kann, als an allem, was sie nehmen könnte. War sie früher schon hier?« »Ja, Herr.«
Er wartete, daß sie fortführe, aber sie tat es nicht. Sie hatte
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