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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Bei Gott? Tatsache? Er wird in einer Minute hier sein, und es gibt keinen guten Grund, warum ich ihm nicht jetzt schon mal eine Pint zapfe und dir bei der Gelegenheit vielleicht auch gleich deine erste, oder gibt es einen?
    Nein, Sir.
    Onkel Pa kommt herein und sagt mir, ich soll mich neben ihn an die Wand setzen. Der Barmann bringt die Pints, Onkel Pa zahlt, erhebt sein Glas und sagt zu den Männern in der Kneipe, dies ist mein Neffe, Frankie McCourt, der Sohn von Angela Sheehan, der Schwester meiner Frau, welcher heute seine erste Pint trinkt, auf deine Gesundheit und langes Leben, Frankie,
mögest du leben, um die Pint zu genießen, aber nicht zu sehr.
    Die Männer erheben ihre Pints, nicken, trinken, und auf ihren Lippen und Schnurrbärten sind sahnigweiße Streifen. Ich nehme einen großen Schluck von meiner Pint, und Onkel Pa sagt zu mir, nicht so hastig, um der Liebe Jesu willen, trink nicht gleich alles aus, da ist noch mehr, wo das herkommt, solang die Familie Guinness stark und gesund bleibt.
    Ich sage ihm, ich will ihm von meinem letzten Lohn bei der Post eine Pint ausgeben, aber er sagt, nein, nimm das Geld mit nach Hause zu deiner Mutter, und eine Pint kannst du mir ausgeben, wenn du aus Amerika heimkommst, rot im Gesicht vom Erfolg und von der Hitze einer Blondine, die sich an deinen Arm klammert.
    Die Männer in der Kneipe sprechen über den schrecklichen Zustand, in dem sich die Welt befindet, und wie um Himmels willen Hermann Göring eine Stunde vor der Hinrichtung dem Henker entwischt ist. Da sitzen die Yanks drüben in Nürnberg und behaupten, sie wissen nicht, wie der Nazischweinehund diese Pille versteckt hat. War sie in seinem Ohr? In einem Nasenloch? In den Arsch geschoben? Bestimmt haben die Yanks in jedes Loch und jede Spalte von jedem Nazi gekuckt, den sie gefangen haben, und Hermann entwischt ihnen trotzdem. So ist das nämlich. Es
zeigt, daß man den Atlantik überqueren, in der Normandie landen, Deutschland vom Antlitz der Erde runterbomben kann, aber wenn es darauf ankommt, können sie eine kleine Pille nicht finden, die in den entlegeneren Bereichen von Hermann Görings Fettarsch versteckt war.
    Onkel Pa gibt mir eine weitere Pint aus. Sie ist schwerer zu trinken, weil sie mich vollmacht und meinen Bauch aufbläst. Die Männer sprechen über Konzentrationslager und die armen Juden, die nie einer Menschenseele etwas zuleide getan haben, Männer, Frauen, Kinder in Öfen gepackt, Kinder, muß man sich mal vorstellen, was haben die denn verbrochen, überall kleine Schuhe verstreut, in die Öfen gestopft, und die Kneipe ist dunstig, und die Stimmen werden mal lauter, mal leiser. Onkel Pa sagt, wie fühlst du dich? Du bist weiß wie ein Laken. Er geht mit mir aufs Klo, und wir beide pissen gut und lange gegen die Wand, die sich vor und zurück bewegt. Ich kann nicht in die Kneipe zurück, Zigarettenrauch, abgestandenes Guinness, Görings Fettarsch, überall kleine Schuhe verstreut, da kann ich nicht mehr rein, gute Nacht, Onkel Pa, danke, und er sagt mir, ich soll schnurstracks nach Hause zu meiner Mutter, schnurstracks nach Hause, oh, er weiß nichts von der Aufregung auf dem Speicher oder der Aufregung auf dem grünen Sofa oder von mir im Stande der Verdammnis wenn
ich jetzt sterbe bin ich in Null Komma nix in der Hölle.
    Onkel Pa geht zu seiner Pint zurück. Ich bin auf der O’Connell Street, und warum soll ich eigentlich die paar Schritte bis zu den Jesuiten nicht auch noch gehen und in der letzten Nacht, in der ich fünfzehn bin, alle meine Sünden beichten. Ich klingele beim Pfarrhaus, und ein großer Mann kommt an die Tür, ja? und ich sage ihm, ich möchte beichten, Pater. Er sagt, ich bin kein Priester. Nenn mich nicht Pater. Ich bin ein Bruder.
    Na schön, Bruder. Ich möchte zur Beichte gehen, bevor ich morgen sechzehn werde. Stand der Gnade an meinem Geburtstag.
    Er sagt, geh weg. Du bist betrunken. Ein Kind wie du, besoffen wie ein besserer Herr, und klingelt mitten in der Nacht bei einem Priester. Geh weg, oder ich rufe die gárdaí .
    Bitte nicht. Bitte nicht. Ich will doch nur zur Beichte gehen. Ich bin verdammt.
    Du bist betrunken und nicht vom angemessenen Geist der Reue beseelt.
    Er schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Wieder eine Tür, die mir vor der Nase zugeschlagen wird, aber morgen bin ich sechzehn, und ich klingle noch einmal. Der Bruder öffnet die Tür, dreht mich mit Schwung um und tritt mir in den Arsch, daß ich die Stufen hinunterstolpere. Er
sagt, wenn du

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