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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Drohbriefe an Nachbarn und Freunde meiner Mutter schreiben, und ich mache mir Sorgen, daß sie mich entdecken könnten. Sie beschweren sich bei Mam, diese alte Zicke, Finucane, unten in Irishtown, hat mir einen Drohbrief geschickt. Welche Sorte von Dämon mitten aus der Hölle peinigt denn Menschen vom eigenen Stamme mit einer Art von Brief, aus der man ums Verrecken nicht schlau wird, mit Wörtern drin, die man weder an Land noch auf See je gehört hat. Die Person, die so etwas geschrieben hat, ist schlimmer als Judas oder jeder Spitzel für die Engländer. Meine Mutter sagt, jeder, der solche Briefe schreibt, sollte in Öl gesotten werden, und Blinde sollten ihm die Fingernägel einzeln ausreißen.
    Tut mir leid, daß ich ihnen Ärger mache, aber anders komme ich nicht an mein Geld für Amerika. Ich weiß, daß ich eines Tages ein reicher Yank sein werde, und dann schicke ich Hunderte von Dollars nach Hause, und meine Familie braucht sich nie wieder Sorgen wegen Drohbriefe zu machen.
     
     
    Einige der befristeten Telegrammjungs machen im August die Unbefristetenprüfung. Mrs. O’Connell sagt, du solltest die Prüfung auch machen, Frank McCourt. Du hast doch ein bißchen Hirn im Kopf und bestehst sie zackzack. In Null
Komma nix wärst du Briefträger und deiner armen Mutter eine große Hilfe.
    Mam sagt auch, ich soll die Prüfung machen, Briefträger werden, sparen, nach Amerika gehen und dann drüben Briefträger werden, wäre das nicht ein wunderschönes Leben.
    An einem Samstag stelle ich ein Telegramm in South’s Kneipe zu, und da sitzt Onkel Pa Keating, ganz schwarz wie üblich. Er sagt, trink eine Limonade mit mir, Frankie, oder willst du jetzt, wo du fast sechzehn bist, lieber eine Pint?
    Limonade, Onkel Pa, danke schön.
    Deine erste Pint willst du erst, wenn du sechzehn bist, stimmt’s?
    Ja, aber mein Vater wird nicht da sein, um sie mir zu spendieren.
    Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, ohne deinen Vater ist es nicht dasselbe, aber ich werde dir deine erste Pint spendieren. Das würde ich auch tun, wenn ich einen Sohn hätte. Komm am Abend vor deinem sechzehnten Geburtstag hierher.
    Mach ich, Onkel Pa.
    Ich habe gehört, du machst diese Prüfung für das Postamt?
    Ja.
    Wie bist du denn auf so was verfallen?
    Es ist ein guter Job, und in Null Komma nix wäre ich Briefträger, und man kriegt Pension.
    Ach, Pension am Arsch. Sechzehn Jahre alt
und redet über die Pension. Willst du mich für dumm verkaufen? Hast du gehört, was ich gesagt habe, Frankie? Pension am Arsch. Wenn du die Prüfung bestehst, bleibst du nett und sicher bis an dein Lebensende auf dem Postamt. Du wirst eine Brigid heiraten und fünf kleine Katholiken kriegen und kleine Rosen in deinem Garten haben. Du wirst tot im Kopf sein, bevor du dreißig bist, und die Eier werden dir schon ein Jahr vorher ausgedörrt sein. Geh doch verdammtnochmal mit dem Kopf durch die Wand, und zur Hölle mit den Verzagten und den Mißgünstigen. Hörst du mich, Frankie McCourt?
    Ja, Onkel Pa. Das hat auch Mr. O’Halloran gesagt.
    Was hat er gesagt?
    Mit dem Kopf durch die Wand, aber eingerichtet muß er sein. Da hat Mr. O’Halloran recht. Es ist dein Leben, fälle deine eigenen Entscheidungen, und zur Hölle mit den Mißgünstigen, Frankie. Schließlich und endlich wirst du doch sowieso nach Amerika gehen, stimmt’s?
    Ja, Onkel Pa.
    Am Tag der Prüfung habe ich frei. In einem Bürofenster in der O’Connell Street hängt ein Schild. Gewitzter Junge gesucht, saubere Handschrift, guter Rechner, Bewerbungen an den Geschäftsführer, Mr. McCaffrey, Eason & Söhne, Zeitschriftengroßhandel.

    Ich stehe vor dem Prüfungsgebäude, dem Haus des Protestantischen Vereins Junger Männer Limerick. Aus ganz Limerick gehen Jungens die Treppe hinauf, um die Prüfung zu machen, und ein Mann an der Tür gibt ihnen Papier und Bleistift und bellt sie an, Beeilung, na los, Beeilung. Ich sehe den Mann an der Tür an, ich denke an Onkel Pa Keating und daran, was er gesagt hat, ich denke an das Schild im Büro von Eason & Söhne, gewitzter Junge gesucht. Ich will da nicht hineingehen und diese Prüfung bestehen, denn wenn ich sie bestehe, bin ich ein Unbefristeter mit einer Uniform, danach Briefträger, danach Schalterbeamter, der bis an sein Lebensende Briefmarken verkauft. Ich werde immer in Limerick bleiben und mit meinem toten Kopf und mit meinen ausgedörrten Eiern Rosen pflanzen.
    Der Mann an der Tür sagt, kommst du jetzt rein, oder willst du da weiter mit einem Gesicht

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