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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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von hier bis da rumstehen?
    Ich möchte zu dem Mann sagen, lecken Sie mich am Arsch, aber ich habe noch ein paar Wochen auf dem Postamt vor mir, und vielleicht würde er mich melden. Ich schüttele den Kopf und gehe die Straße hinauf, wo ein gewitzter Junge gesucht wird.

     
     
    Der Geschäftsführer, Mr. McCaffrey, sagt, ich würde mir gern ein Schriftmuster von dir ansehen, damit ich herausfinde, ob du, um es ganz kurz zu sagen, eine Klaue hast oder nicht. Setz dich da an den Tisch. Schreibe deinen Namen und deine Adresse, und schreibe mir einen Absatz, in welchem du erklärst, warum du dich um diesen Arbeitsplatz bewirbst und wie deine Vorstellungen aussehen, was deinen Aufstieg in den Reihen der Gefolgschaft der Firma Eason & Söhne betrifft, und zwar kraft unermüdlicher Ausdauer und gewissenhaften Pflichteifers, denn dann bieten sich in dieser Firma große Möglichkeiten, wenn man ein Junge ist, der die ihm voranflatternde Standarte fest im Auge behält und seine Flanken gegen die Sirenenklänge der Sünde wappnet.
    Ich schreibe:
    Frank McCourt,
    Little Barrington Street 4,
    Limerick,
    Grafschaft Limerick,
    Irland.
    Ich bewerbe mich um diesen Arbeitsplatz, damit ich in die höchsten Reihen der Gefolgschaft von Eason & Söhne GmbH aufsteigen kann, und zwar kraft unermüdlicher Ausdauer und gewissenhaften Flichteiferns, wobei ich weiß, daß, wenn ich meine Augen nach vorne und meine Flanken gewappnet kriege, ich sicher vor aller
Versuchung bin und Eason und Irland im allgemeinen Ehre mache.
    Was ist das denn? sagt Mr. McCaffrey. Nehmen wir es hier vielleicht mit der Wahrheit nicht so ganz genau?
    Ich weiß nicht, Mr. McCaffrey.
    Little Barrington Street. Das ist eine Gasse. Warum nennst du sie eine Straße? Du wohnst in einer Gasse, nicht in einer Straße.
    Sie wird aber allgemein Straße genannt, Mr. McCaffrey.
    Erhebe dich nicht über deinen Stand, Junge.
    Das würde ich nie tun, Mr. McCaffrey.
    Du wohnst in einer Gasse, und das bedeutet, daß du nirgendwohin kannst, außer nach oben. Verstehst du das, McCourt?
    Ja, Sir.
    Du mußt dir deinen Weg aus der Gasse heraus erarbeiten, McCourt.
    Gern, Sir.
    Du bist Fleisch vom Fleische der Gassenjungen, McCourt.
    Ja, Mr. McCaffrey.
    Dir atmet die Gasse aus jeder Pore. Vom Scheitel deines Schädels bis zur Kappe deines Schuhs. Versuche nicht, die breite Öffentlichkeit irrezuführen, McCourt. Da müßtest du schon reichlich früh aufstehen, um Menschen meines Schlages hinters Licht zu führen.

    Das würde ich nie tun, Mr. McCaffrey.
    Dann sind da noch die Augen. Sehr entzündet, diese Augen. Kannst du sehen?
    Ja, Mr. McCaffrey.
    Du kannst lesen und schreiben, aber kannst du auch addieren und subtrahieren?
    Ja, Mr. McCaffrey.
    Tja, ich kenne die Firmenpolitik bei entzündeten Augen nicht. Ich müßte Dublin anrufen und hören, wie man dort zu entzündeten Augen steht. Aber deine Handschrift ist sauber und deutlich, McCourt. Keine Klaue. Wir nehmen dich vorbehaltlich einer Entscheidung im Entzündete-Augen-Bereich. Montag morgen. Halb sieben am Bahnhof.
    Morgens?
    Morgens. Wir liefern die verdammten Morgenzeitungen nicht abends aus, oder?
    Nein, Mr. McCaffrey.
    Noch etwas. Wir vertreiben die Irish Times, eine protestantische Zeitung, die von den Freimaurern in Dublin gemacht wird. Wir übernehmen sie am Bahnhof. Wir zählen sie durch. Wir bringen sie zu den Zeitungshändlern. Aber wir lesen sie nicht. Ich möchte dich nicht bei ihrer Lektüre erwischen. Du könntest den Glauben verlieren, und so wie deine Augen aussehen, könntest du auch noch das Augenlicht verlieren. Hörst du mich, McCourt?

    Ja, Mr. McCaffrey.
    Keine Irish Times, und wenn du nächste Woche hierherkommst, werde ich dir von all dem englischen Schmutz und Schund berichten, den du in diesem Büro nicht lesen sollst. Hörst du mich?
    Ja, Mr. McCaffrey.
     
     
    Mrs. O’Connell hat den schmalen Mund, und sie sieht mich nicht an. Sie sagt zu Miss Barry, wie ich höre, hat ein gewisser Emporkömmling aus dem Gassenviertel es vorgezogen, sich nicht der Prüfung für den Postdienst zu unterziehen. Ist sich zu gut dafür, vermute ich.
    Da haben Sie recht, sagt Miss Barry.
    Ist sich zu gut für uns, vermute ich.
    Da haben Sie recht.
    Meinen Sie, er wird uns je erzählen, warum er die Prüfung geschwänzt hat?
    Oh, vielleicht, sagt Miss Barry, wenn wir vor ihm niederknien.
    Ich sage zu ihr, ich möchte nach Amerika, Mrs. O’Connell.
    Haben Sie das gehört, Miss Barry?
    Allerdings, Mrs. O’Connell.
    Er hat

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