Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Konzentrationslagern verstreut. Ich habe wieder dieses Geschwür. Es ist in meiner Brust, und ich bin hungrig.
Der hl. Franziskus ist keine Hilfe, er läßt die Tränen nicht versiegen, die mir aus beiden Augen fließen, er beendet das Geschniefe und Ersticken und die Ogottogotts nicht, die mich auf die Knie und meinen Kopf auf die Rückenlehne der Kirchenbank vor mir zwingen, und ich bin so schwach vom Hunger und vom Weinen, daß ich zu Boden fallen könnte und würdest du mir bitte helfen Gott oder heiliger Franziskus weil ich heute
sechzehn geworden bin und ich habe meine Mutter geschlagen und Theresa in die Hölle gebracht und ganz Limerick und die gleichnamige Grafschaft drum rum vollgewichst und ich habe schreckliche Angst vor dem Mühlstein um meinen Hals.
Ein Arm legt sich um meine Schultern, ein braunes Gewand, das Klicken schwarzer Rosenkranzperlen, ein Franziskanerpater.
Mein Kind, mein Kind, mein Kind.
Ich bin ein Kind, und ich lehne mich an ihn, der kleine Frankie auf dem Schoß seines Vaters, erzähl mir alles über Cuchulain, Dad, meine Geschichte, die Malachy nicht haben darf und Freddie Leibowitz auf der Schaukel auch nicht.
Mein Kind, setz dich her zu mir. Sag mir, was dich bedrückt. Aber nur, wenn du willst. Ich bin Pater Gregory.
Ich bin heute sechzehn geworden, Pater.
Wie schön, wie schön. Und warum sollte dich das bedrücken?
Ich habe gestern abend meine erste Pint getrunken.
Ja?
Ich habe meine Mutter geschlagen.
Gott steh uns bei, mein Kind. Aber Er wird dir vergeben.
Gibt es sonst noch etwas?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, Pater.
Würdest du gern beichten?
Ich kann nicht, Pater. Ich habe schreckliche Dinge getan.
Gott vergibt allen, die ehrlich bereuen. Er sandte Seinen einzigen geliebten Sohn, auf daß Er für uns sterbe.
Ich kann es nicht sagen, Pater. Ich kann nicht.
Aber dem heiligen Franziskus könntest du es doch sagen, oder?
Er hilft mir nicht mehr.
Aber du liebst ihn doch, oder?
Ja. Ich heiße Francis.
Dann sag es ihm. Wir werden hier sitzen, und du wirst ihm von den Dingen berichten, die dich bedrücken. Wenn ich hier sitze und zuhöre, so wird das nur ein Paar Ohren für den heiligen Franziskus und unseren Herrn sein. Meinst du nicht, das würde helfen?
Ich spreche mit dem hl. Franziskus und berichte ihm von Margaret, Oliver, Eugene, meinem Vater, der Roddy McCorley singt und kein Geld nach Hause bringt, meinem Vater, der kein Geld aus England schickt, von Theresa und vom grünen Sofa, von meinen schrecklichen Sünden auf Carrigogunnell, warum konnten sie Hermann Göring nicht für das hängen, was er den kleinen Kindern angetan hat, und überall Schuhe in den Konzentrationslagern verstreut, vom Christlichen Bruder, der mir die Tür vor der Nase zugeknallt hat, wie
sie mich nicht Meßdiener werden lassen wollten, von meinem kleinen Bruder Michael, der mit dem kaputten Schuh über die Gasse klackert, von meinen schlechten Augen, für die ich mich so schäme, vom Jesuitenbruder, der mir die Tür vor der Nase zugeknallt hat, von den Tränen in den Augen meiner Mutter, als ich sie geschlagen habe.
Pater Gregory sagt, möchtest du ein bißchen sitzen und schweigen, vielleicht ein paar Minuten lang beten?
Sein braunes Gewand kratzt an meiner Backe, der Mann riecht nach Seife. Er sieht den hl. Franziskus und das Tabernakel an und nickt, und ich vermute, daß er mit Gott spricht. Dann sagt er mir, knie nieder, erteilt mir Absolution, sagt mir, ich soll drei Ave-Maria, drei Vaterunser, drei Ehre sei Gott in der Höhe sprechen. Er sagt mir, Gott vergibt mir, und ich selbst muß mir auch vergeben, Gott liebt mich, und ich selbst muß mich auch lieben, denn nur wenn man Gott in sich selbst liebt, kann man auch alle Geschöpfe Gottes lieben. Aber ich möchte über Theresa Carmody in der Hölle Bescheid wissen, Pater.
Nein, mein Kind. Sie ist ganz bestimmt im Himmel. Sie hat gelitten wie die Märtyrer in alten Zeiten, und Gott weiß, daß das Buße genug ist. Du kannst sicher sein, daß die Schwestern im Krankenhaus sie nicht ohne Priester haben sterben lassen.
Sind Sie sicher, Pater?
Ganz sicher, mein Kind.
Er segnet mich noch einmal, sagt, ich soll für ihn beten, und ich trabe froh durch die verregneten Straßen von Limerick und weiß, daß Theresa im Himmel ist, und ihr Husten ist weg.
Montag morgen, und auf dem Bahnhof dämmert es. Zeitungen und Zeitschriften werden in Bündeln an die Bahnsteigmauer gestapelt. Mr. McCaffrey steht da mit einem
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