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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Wohnung kommen. Seine Mutter ist nicht da, und sie hat ihm Mittagessen hingestellt.
Vielleicht gibt er uns auch was, und er hat ganz prima Milch. Gehen wir hin?
    Fintan sitzt zwei Reihen von uns entfernt. Er weiß, was Paddy zu mir sagt, und er bewegt die Augenbrauen auf und ab, als wollte er sagen, werdet ihr kommen? Ich flüstere zu Paddy, ja, und er nickt Fintan zu, und der Lehrer blafft uns an, wir sollen aufhören, mit den Augenbrauen und den Lippen zu wackeln, sonst wird die Esche ihr Lied auf unserem Hintern singen.
    Auf dem Schulhof sehen Jungens uns drei weggehen und machen Bemerkungen. Ach Gottchen, seht euch Fintan und seine warmen Brüder an. Paddy sagt, Fintan, was heißt das? und Fintan sagt, nur ein altes Wort für gute Freunde. Er sagt uns, wir sollen uns an den Tisch in seiner Küche setzen, und wir können seine Comics lesen, wenn wir mögen, Film Fun, den Beano, den Dandy oder die religiösen Zeitschriften oder die Romanhefte seiner Mutter, Miracle und Oracle, in denen immer Geschichten über arme, aber bildschöne Mädchen stehen, die in der Fabrik arbeiten und die Söhne von Grafen lieben und umgekehrt, und das Fabrikmädchen wirft sich zum Schluß aus lauter Hoffnungslosigkeit in die Themse, wird aber von einem des Weges kommenden Zimmermann gerettet, der arm, aber ehrlich ist und der das Fabrikmädchen für das lieben wird, was sie bescheidenerweise ist, obwohl sich herausstellt,
daß der des Weges kommende Zimmermann in Wirklichkeit der Sohn eines Herzogs ist, was viel feiner ist als ein Graf, so daß das arme Fabrikmädchen jetzt eine Herzogin ist und auf den Grafen herabblicken kann, der sie einst verschmähte, denn jetzt pflegt sie fröhlich ihre Rosen auf dem Abertausende von Hektar umfassenden Anwesen in Shropshire und ist nett zu ihrer armen, alten Mutter, die ihre bescheidene kleine Hütte für alles Geld dieser Welt nicht verlassen möchte.
    Paddy sagt, ich will nichts lesen, ist doch alles Schwindel, die ganzen Geschichten. Fintan entfernt das Tuch, welches über sein Sandwich und sein Glas Milch gebreitet ist. Die Milch sieht sahnig und kühl und köstlich aus, und das Brot vom Sandwich ist fast genauso weiß. Paddy sagt, ist das ein Schinkensengwitsch? und Fintan sagt ja. Paddy sagt, das Sengwitsch sieht ja wirklich wunderschön aus, und ist da wieder Senf drauf? Fintan nickt und schneidet das Sandwich in zwei Teile. Senf sickert heraus. Er leckt ihn sich von den Fingern und trinkt einen tüchtigen Mundvoll Milch. Wieder schneidet er das Sandwich, in Viertel, in Achtel, in Sechzehntel, nimmt den Kleinen Boten vom Allerheiligsten Herzen vom Zeitschriftenstapel und liest, während er seine Stullenstückchen ißt und seine Milch trinkt, und Paddy und ich sehen ihn an, und ich weiß, daß Paddy sich fragt, was wir hier überhaupt sollen,
wir hier, denn das frage ich mich ebenfalls und hoffe, daß Fintan mal den Teller zu uns herüberschiebt, aber das tut er nicht, er trinkt die Milch aus, läßt ein paar Sandwichstückchen auf dem Teller, breitet das Tuch drüber, wischt sich mit einer anmutigen Handbewegung die Lippen, senkt den Kopf, bekreuzigt sich und spricht das Tischgebet für nach den Mahlzeiten und, Gott, wir kommen noch zu spät zur Schule, bekreuzigt sich auf dem Weg nach draußen noch einmal mit Weihwasser aus dem kleinen Porzellantaufstein, der neben der Tür unter dem kleinen Bild der Jungfrau Maria hängt, die ihr Herz zeigt und mit zwei Fingern drauf deutet, als wüßten wir sonst nicht, wo es ist.
    Für Paddy und mich ist es zu spät, um zu Nellie Ahearn zu rennen und das Brötchen und die Milch zu holen, und ich weiß nicht, wie ich das von jetzt bis nachher durchstehen soll, wenn ich endlich nach Hause kann und ein Stück Brot kriege. Paddy bleibt vor dem Schultor stehen. Er sagt, ich geh da nicht rein, ich hab doch so ’n Hunger, ich schlaf vor Hunger ein, und dann bringt Dotty mich um.
    Fintan ist besorgt. Los, los, wir kommen zu spät. Komm schon, Francis, beeil dich.
    Ich geh da auch nicht rein, Fintan. Du hast dein Mittagessen gehabt. Wir nicht.
    Paddy explodiert. Du bist ein Scheißschummler,
Fintan. Das bist du nämlich, und ein Scheißgierhals mit deinem Scheißsengwitsch und deinem Scheiß-Allerheiligsten-Herzen-Jesu an der Wand und deinem Scheißweihwasser. Du kannst mich mal am Arsch lecken, Fintan.
    Aber, Patrick.
    Scheiß-Aberpatrick, Fintan. Komm mit, Frankie.
    Fintan rennt in die Schule, und Paddy und ich wandern nach Ballinacurra zu einem Obstgarten.

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