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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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und die Kinder schaffen es nicht rechtzeitig die Treppen hinunter, um ihren kleinen Arsch auf die Schüssel zu kriegen, möge Gott uns helfen.
    Im vierten Stock sitzt eine Frau mit einem Umhang und raucht eine Zigarette. Sie sagt, bist du das, Paddy?
    Ja, Mammy.
    Ich bin völlig geschlaucht, Paddy. Diese Stufen bringen mich um. Hast du zu Abend gegessen?
    Nein.
    Ich weiß nicht, ob noch Brot da ist. Geh rauf und sieh nach.
    Paddys Familie wohnt in einem einzigen großen Raum mit hoher Zimmerdecke und einem kleinen Herd. Es gibt zwei kleine Fenster, und man kann auf den Shannon hinaussehen. Sein Vater ist in einem Bett in der Ecke, er stöhnt und spuckt in einen Eimer. Paddys Brüder und Schwestern sind auf Matratzen auf dem Fußboden, sie schlafen, reden oder starren die Decke an. Ein nacktes Baby kriecht zum Eimer von Paddys Vater, und Paddy zieht es vom Eimer weg. Seine Mutter kommt herein und keucht wegen der Treppe. Jesus, ich bin tot, sagt sie. Sie findet etwas Brot und macht schwachen Tee für Paddy und mich. Ich weiß nicht, was ich machen soll.
Sie sagen gar nichts. Sie sagen nicht, was machst du hier oder geh nach Hause oder irgendwas, bis Mr. Clohessy sagt, wer ist das? und Paddy ihm sagt, das ist Frankie McCourt.
    Mr. Clohessy sagt, McCourt? Was für eine Klasse von Name ist das?
    Mein Vater ist aus dem Norden, Mr. Cluhessy.
    Und wie heißt deine Mutter?
    Angela, Mr. Clohessy.
    Ach, Jesusnochmal, nicht zufällig Angela Sheehan?
    Doch, Mr. Clohessy.
    Ach, Jesusnochmal, sagt er und kriegt einen Hustenanfall, der alle Sorten von Zeug aus seinem Innersten zutage fördert, und er hat erst mal mit dem Eimer zu tun. Als der Anfall vorüber ist, fällt er aufs Kissen zurück. Ach, Frankie, ich habe deine Mutter gut gekannt. Habe mit ihr getanzt, heilige Muttergottes, ich sterbe im Innern, mit ihr getanzt unten in der Wembley Hall, und eine meisterhafte Tänzerin war sie obendrein.
    Wieder hängt er über dem Eimer. Er schnappt nach Luft und streckt die Arme aus, um sie einzufangen. Er leidet, hört aber nicht auf zu reden.
    Meisterhafte Tänzerin, Frankie. Nicht dünn, o nein, aber eine Feder in meinen Armen, und es gab manch einen betrübten Mann, als sie Limerick verließ. Kannst du tanzen, Frankie?
    Aber nein, Mr. Clohessy.

    Paddy sagt, kann er doch, Dada. Er hat die Stunden bei Mrs. O’Connor und Cyril Benson genommen.
    Na, dann tanze, Frankie. Im Haus herum und Vorsicht bei der Kommode, Frankie. Hoch mit dem Fuß, Bursche.
    Ich kann nicht, Mr. Clohessy. Ich bin nicht gut.
    Nicht gut? Angela Sheehans Sohn? Tanze, Frankie, oder ich werde mich von diesem Bett erheben und dich im Hause herumwirbeln.
    Mein Schuh ist defekt, Mr. Clohessy.
    Frankie, Frankie, du bringst mich ins Husten. Willst du jetzt bitte um der Liebe Jesu willen tanzen, damit ich mich meiner Jugend mit deiner Mutter in der Wembley Hall entsinne. Zieh den Scheißschuh aus, Frankie, und tanze.
    Ich muß Tänze und die dazu passenden Melodien erfinden, wie vor langer Zeit, als ich noch jung war. Ich tanze mit einem Schuh durch das Zimmer, weil ich vergessen habe, ihn auszuziehen. Ich versuche, einen Text zu erfinden, oh, die Mauern von Limerick, sie fallen, sie fallen, sie fallen um, die Mauern von Limerick fallen um, und der böse Shannon, er bringt uns alle um.
    Mr. Clohessy lacht in seinem Bett. Ach, Jesusnochmal, dergleichen habe ich ja noch nie gehört, weder zu Lande noch auf See. Das ist ein hervorragendes Bein zum Tanzen, was du da am Leibe hast, Frankie. Jesusnochmal. Er hustet, und es
kommen Stränge aus grünem und gelbem Kram hoch. Mir wird schlecht, wenn ich das sehe, und ich frage mich, ob ich nicht doch lieber all diese Krankheit und den Eimer verlassen und nach Hause gehen und mich von meinen Eltern umbringen lassen soll, wenn sie wollen.
    Paddy legt sich auf eine Matratze beim Fenster, und ich lege mich neben ihn. Ich lasse wie alle anderen meine Sachen an und vergesse sogar, meinen anderen Schuh auszuziehen, der naß und klitschig und stinkig ist. Paddy schläft sofort ein, und ich betrachte seine Mutter, die vor dem restlichen Herdfeuer sitzt und noch eine Zigarette raucht. Paddys Vater stöhnt und hustet und spuckt in den Eimer. Er sagt, Scheißblut, und sie sagt, früher oder später mußt du ins Sanatorium.
    Will ich aber nicht. Der Tag, an dem sie einen da reinschaffen, ist das Ende.
    Du könntest die Kinder mit deiner Schwindsucht anstecken. Ich könnte die Polizei rufen, damit sie dich abholen, eine solche Gefahr bist du

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