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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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jedem Wetter in die Messe und zur Kommunion, und jeden Samstag beichten sie bei den Jesuiten, die bekannt für ihr Interesse an intelligenten Sünden sind, nicht an
den üblichen Sünden, die man von den Leuten hört, welche in den Gassen wohnen und dafür bekannt sind, daß sie sich betrinken und manchmal freitags Fleisch essen, bevor es schlecht wird, und obendrein noch fluchen. Fintan und seine Mutter wohnen in der Catherine Street, und Mrs. Slatterys Nachbarn nennen sie Mrs. Bringedar, denn egal, was passiert, ein Beinbruch, eine verschüttete Tasse Tee, ein verschwundener Ehemann, sie sagt, je nun, ich bringe es dar, ein weiterer kleiner Genuß, der mich, da er mir entgangen, in den Himmel bringen wird. Fintan ist genauso schlimm. Wenn man ihn auf dem Schulhof schubst oder blöder Hund nennt, lächelt er und sagt einem, er wird für einen beten, und das Gebet bringt er seiner und deiner Seele dar. Die Jungens in Leamy’s wollen nicht, daß er für sie betet, und sie drohen, er kriegt einen ordentlichen Tritt in den Arsch, wenn sie ihn dabei erwischen, daß er für sie betet. Er sagt, wenn er groß ist, will er Heiliger werden, was lachhaft ist, weil man nicht Heiliger werden kann, bevor man tot ist. Er sagt, unsere Enkel werden zu seinem Bilde beten. Ein großer Junge sagt, meine Enkel werden auf dein Bild pissen, und Fintan lächelt nur. Seine Schwester ist nach England abgehauen, als sie siebzehn war, und jeder weiß, daß er zu Hause ihre Bluse anhat und sich jeden Samstag mit einer heißen Eisenzange Locken in die Haare dreht,
damit er am Sonntag in der Messe hinreißend aussieht. Wenn er einen auf dem Weg zur Messe trifft, sagt er, ist mein Haar nicht hinreißend, Frankie? Er liebt das Wort hinreißend, und kein anderer Junge wird es jemals verwenden.
    Natürlich weiß er, wer am Fuße des Kreuzes stand. Er weiß wahrscheinlich auch, was die anhatten und was es zum Frühstück gab, und jetzt sagt er Dotty O’Neill, daß es die drei Marien waren.
    Dotty sagt, komm nach vorn, Fintan, und hol dir deine Belohnung ab.
    Er läßt sich Zeit mit dem Weg bis zur Plattform, und wir trauen unseren Augen nicht, als er ein Taschenmesser hervorholt, um die Apfelschale in kleine Stücke zu schneiden, damit er sie nach und nach essen kann und sie sich nicht auf einen Happs ins Maul stopft wie wir anderen, wenn wir gewinnen. Er hebt die Hand, Sir, ich würde gern etwas von meinem Apfel abgeben.
    Von deinem Apfel, Fintan? Daß ich nicht lache. Du hast den Apfel nicht, Fintan. Du hast die Schale, die schiere Schale. Weder hast du ihn, noch wirst du je so schwindelerregende Höhen erklimmen, dich am Apfel als solchem zu laben. Nicht an meinem Apfel, Fintan. Hörte ich dich gerade sagen, du wolltest etwas von deiner Belohnung abgeben?
    Richtig, Sir. Ich möchte gern drei Stücke abgeben,
und zwar an Quigley, Clohessy und McCourt.
    Warum, Fintan?
    Sie sind meine Freunde.
    In der ganzen Klasse grinsen die Jungens und stupsen sich an, und ich schäme mich, weil sie sagen werden, ich mache mir Locken in die Haare, und auf dem Schulhof werden sie mich quälen, und warum glaubt er eigentlich, daß ich sein Freund bin? Wenn sie sagen, ich trage die Bluse meiner Schwester, hat es gar keinen Sinn, ihnen zu sagen, daß ich keine Schwester habe, denn dann sagen sie, wenn du aber eine hättest, würdest du dir ihre Bluse anziehen. Auf dem Schulhof hat es gar keinen Sinn, irgendwas zu sagen, denn einer hat immer eine Antwort, und man kann gar nichts machen, außer ihnen auf die Nase zu boxen, und wenn man jedem auf die Nase boxen wollte, der eine Antwort hat, würde man morgens, mittags und abends nur noch boxen.
    Quigley nimmt sein Stück Apfelschale von Fintan entgegen. Danke, Fintan.
    Die ganze Klasse sieht Clohessy an, denn er ist der Größte und der Stärkste, und wenn er danke sagt, sage ich auch danke. Er sagt, vielen Dank, Fintan, und wird rot, und ich sage, vielen Dank, Fintan, und versuche, nicht rot zu werden, aber es gelingt mir nicht, und wieder grinsen
alle Jungens spöttisch, und ich würde sie gern hauen.
    Nach der Schule rufen die Jungens Fintan zu, he, Fintan, gehst du jetzt nach Hause, um dir Locken in deine hinreißenden Haare zu drehen? Fintan lächelt und geht die Schulhoftreppe hinauf. Ein großer Junge aus der siebten Klasse sagt zu Paddy Clohessy, du würdest dir doch bestimmt auch Locken drehen, wenn du kein kahlrasierter Glatzkopf wärst. Paddy sagt, halts Maul, und der Junge sagt, und wenn nicht, was machst du

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