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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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dieser jungen Menschen von so einem Hochstapler zerstört wird, der auf seiner Plattform steht, Apfelschalen verteilt und links und rechts Diarrhö verursacht. Sagen Sie ihm, daß Euklid mir gehört, Mr. O’Halloran, oder ich werde seinem Amoklauf ein Ende bereiten.
    Mr. O’Halloran sagt Mr. O’Dea, er soll zurück in seine Klasse gehen, und bittet Mr. O’Neill auf den Flur. Mr. O’Halloran sagt, aber aber, Mr. O’Neill, ich habe Sie doch bereits darum gebeten, sich von Euklid fernzuhalten.
    Das haben Sie, Mr. O’Halloran, aber Sie könnten mich genausogut bitten, daß ich meinen täglichen Apfel nicht mehr esse.
    Ich muß darauf bestehen, Mr. O’Neill. Keinerlei Euklid mehr.
    Mr. O’Neill kommt zurück in die Klasse, und wieder sind seine Augen wäßrig. Er sagt, seit den Griechen hat sich wenig geändert, denn die Barbaren sind mitten unter uns, und ihre Zahl ist Legion. Was hat sich seit den Griechen geändert, ihr Knaben?
    Wenig, Sir.
    Und wen finden wir mitten unter uns vor?
    Die Barbaren, Sir.

    Und worauf beläuft sich ihre Zahl?
    Legion, Sir.
     
     
    Es ist eine Qual, Mr. O’Neill jeden Tag dabei zu beobachten, wie er den Apfel schält, in voller Länge, rot oder grün, und wenn man vorne sitzt, kriegt man den frischen Duft des Apfels in die Nase. Wenn man an dem Tag der Musterschüler ist und die Fragen beantwortet, die er einem stellt, gibt er einem die Schale, und man darf sie in Ruhe in seiner Bank aufessen, und niemand kann sie einem streitig machen, was in der Pause auf dem Hof schon passieren würde. Dann würden sie einen peinigen, gib mir was ab, gib mir was ab, und man könnte von Glück sagen, wenn man noch ein Fitzelchen für sich selbst übrigbehielte.
    Es gibt Tage, an denen die Fragen zu schwer sind, und dann quält er uns, indem er die Apfelschale in den Papierkorb fallen läßt. Dann borgt er sich einen Schüler aus einer anderen Klasse aus, der den Papierkorb in den Heizungskeller tragen soll, um Papier und Apfelschale zu verbrennen, oder er läßt die Schale für die Putzfrau da, Nellie Ahearn, damit sie alles zusammen in ihrem großen Leinensack wegschleppt. Wir würden Nellie gern bitten, daß sie uns die Schale herauslegt, bevor die Ratten sie kriegen, aber sie ist
erschöpft, weil sie die ganze Schule alleine saubermachen muß, und schnauzt uns an, ich hab noch andere Dinge mit meinem Leben vor, als mit anzusehen, wie eine räudige Horde nach der Haut eines Apfels wühlt. Machts bloß, daß ihr verschwindets.
    Langsam schält er den Apfel. Er sieht sich mit dem leichten Lächeln in der Klasse um. Er foppt uns, was meint ihr Knaben, soll ich dies den Tauben auf dem Fenstersims überlassen? Wir sagen, nein, Sir, Tauben essen keine Äpfel. Paddy Clohessy ruft, davon kriegen sie Dünnpfiff, Sir, und wir kriegen es dann in der Pause draußen auf den Kopf.
    Clohessy, du bist ein Omadhaun. Weißt du, was ein Omadhaun ist?
    Nein, Sir.
    Das ist Irisch, Clohessy, deine Muttersprache, Clohessy. Ein Omadhaun ist ein Tölpel, Clohessy. Du bist ein Omadhaun. Was ist er, ihr Knaben?
    Ein Omadhaun, Sir.
    Clohessy sagt, so hat mich Mr. O’Dea genannt, Sir, einen schlotternden Omadhaun.
    Er hält mit seinem Schälen inne, um uns Fragen über alles zu stellen, was es gibt auf der Welt, und der Junge mit den besten Antworten gewinnt. Hoch die Hände, sagt er, wer ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika?
    Jede Hand in der Klasse geht nach oben, und
wir sind alle angewidert, wenn er eine Frage stellt, die jeder Omadhaun beantworten kann. Wir rufen, Roosevelt.
    Dann sagt er, du, Mulcahy, wer stand am Fuße des Kreuzes, als unser Herr gekreuzigt wurde?
    Mulcahy ist langsam. Die zwölf Apostel, Sir.
    Mulcahy, wie lautet das irische Wort für Tölpel?
    Omadhaun, Sir.
    Und was bist du, Mulcahy?
    Ein Omadhaun, Sir.
    Fintan Slattery hebt die Hand. Ich weiß, wer am Fuße des Kreuzes stand, Sir.
    Natürlich weiß Fintan, wer am Fuße des Kreuzes stand. Wie denn auch nicht? Ständig rennt er in die Messe mit seiner Mutter, die für ihre Heiligkeit bekannt ist. Sie ist so heilig, daß ihr Mann nach Kanada weggelaufen ist, um Bäume zu fällen, froh, daß er weg war, und man nie wieder etwas von ihm hörte. Sie und Fintan sprechen jeden Abend den Rosenkranz auf den Knien in der Küche und lesen alle möglichen religiösen Zeitschriften: Den Kleinen Boten vom Allerheiligsten Herzen, Die Laterne, Den Fernen Osten sowie jedes Buch, das die Katholische Wahrheitsgesellschaft druckt. Sie gehen bei

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