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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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dann? Paddy versucht, einen Boxhieb anzubringen, aber der große Junge haut ihm auf die Nase, daß Blut fließt. Ich versuche den großen Jungen zu hauen, aber er packt mich bei der Kehle und knallt meinen Kopf gegen die Mauer, bis ich Lichter und schwarze Punkte sehe. Paddy geht weg, hält sich die Nase und weint, und der große Junge schubst mich hinter ihm her. Fintan ist draußen auf der Straße, und er sagt, o Francis, Francis, o Patrick, Patrick, was ist denn los? Warum weinst du denn, Patrick? und Paddy sagt, ich hab Hunger. Ich kann mich mit keinem schlagen, weil ich am Hunger sterbe und hinfalle, und ich schäme mich.
    Fintan sagt, komm mit, Patrick. Meine Mutter wird uns etwas geben, und Paddy sagt, nein, nein, ich hab Nasenbluten.
    Mach dir keine Sorgen. Sie wird dir etwas auf
die Nase tun oder einen Schlüssel auf den Nacken legen. Francis, du mußt auch kommen. Du siehst immer hungrig aus.
    Lieber nicht, Fintan.
    Ach doch, Francis.
    Na gut, Fintan.
    Fintans Wohnung ist wie eine Kapelle. Es gibt zwei große Bilder, das Allerheiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens. Jesus zeigt sein Herz mit der Dornenkrone, dem Feuer, dem Blut. Sein Kopf ist nach links geneigt, damit man seinen großen Kummer sieht. Die Jungfrau Maria zeigt ebenfalls ihr Herz, und es wäre ein gutaussehendes Herz, wenn die Dornenkrone nicht wäre. Ihr Kopf ist nach rechts geneigt, damit man ihren Kummer sieht, denn sie weiß, daß es mit ihrem Sohn ein trauriges Ende nehmen wird.
    An einer anderen Wand hängt ein Bild mit einem Mann, der ein braunes Gewand trägt, und überall auf ihm drauf sitzen Vögel. Fintan sagt, weißt du, wer das ist, Francis? Nein? Das ist dein Schutzheiliger, der heilige Franziskus von Assisi, und weißt du, was heute für ein Tag ist?
    Der vierte Oktober.
    Das stimmt, und heute ist sein Festtag und deiner ebenfalls, denn heute kannst du den heiligen Franziskus um alles bitten, und es wird in Erfüllung gehen. Deshalb wollte ich, daß du heute
hierherkommst. Setz dich doch, Patrick, setz dich doch, Francis.
    Mrs. Slattery kommt herein und hat ihren Rosenkranz in der Hand. Sie freut sich, Fintans neue Freunde kennenzulernen, und ob wir wohl ein Käsesandwich mögen? Und sieh mal deine arme Nase, Patrick. Sie berührt seine Nase mit dem Kreuz ihres Rosenkranzes und spricht ein kleines Gebet. Sie sagt uns, dieser Rosenkranz ist vom Papst persönlich gesegnet worden und könnte dem Fließen eines Flusses Einhalt gebieten, von Patricks armer Nase ganz zu schweigen.
    Fintan sagt, er möchte lieber kein Sandwich, weil er für den Jungen, der Paddy und mich geschlagen hat, fastet und betet. Mrs. Slattery gibt ihm einen Kuß auf die Stirn und sagt ihm, er ist ein Heiliger direkt aus dem Himmel, und fragt, ob wir Senf auf unsere Sandwiches haben wollen, und ich sage, von Käse mit Senf habe ich ja noch nie gehört, danke, sehr gern sogar. Paddy sagt, ich weiß nicht. Ich hab im Leben noch nie ein Sengwitsch gegessen, und wir lachen alle, und ich frage mich, wie man es schafft, wie Paddy zehn Jahre alt zu werden und noch nie ein Sandwich gegessen zu haben. Paddy lacht auch, und man kann sehen, daß er weiß-schwarz-grüne Zähne hat.
    Wir essen das Sandwich und trinken Tee, und Paddy möchte wissen, wo das Klo ist. Fintan
nimmt ihn mit durch das Schlafzimmer in den Hinterhof, und als sie zurückkommen, sagt Paddy, ich muß nach Hause. Meine Mutter bringt mich um. Ich warte draußen auf dich, Frankie.
    Jetzt muß ich aufs Klo, und Fintan führt mich auf den Hinterhof. Er sagt, ich muß auch mal, und als ich meinen Hosenschlitz aufknöpfe, kann ich nicht pinkeln, weil er mich ansieht, und er sagt, du wolltest mich zum Narren halten. Du mußt gar nicht. Ich sehe dich gern an, Francis. Das ist alles. Ich würde keinerlei Sorte von Sünde mit dir begehen wollen, wo wir doch nächstes Jahr Firmung haben.
    Paddy und ich gehen zusammen weg. Ich platze fast und renne hinter eine Garage, um zu pinkeln. Paddy wartet auf mich, und als wir durch die Hartstonge Street gehen, sagt er, das war ein kraftvolles Sengwitsch, Frankie, und er und seine Mutter, die sind beide sehr heilig, aber ich möchte nie wieder in Fintans Wohnung gehen, weil er nämlich sehr merkwürdig ist, stimmt’s, Frankie?
    Stimmt, Paddy.
    Wie er ihn ansieht, wenn man ihn rausholt, das ist doch merkwürdig, stimmt’s, Frankie?
    Stimmt, Paddy.
    Ein paar Tage später flüstert Paddy, Fintan Slattery hat gesagt, wir könnten zum Mittagessen zu ihm in die

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