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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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nicht weg.
    Sie hebt ihn hoch und umarmt ihn. Nein, Michael, ich weine doch nicht wegen Frankie. Es ist wegen Dennis Clohessy und wegen den durchtanzten Nächten in der Wembley Hall und wegen dem Fisch mit Fritten hinterher.
    Sie kommt mit uns in die Schule. Mr. O’Neill sieht ungehalten aus und sagt uns, setzt euch hin, er kommt gleich. Vor der Tür spricht er lange mit meiner Mutter, und als sie gegangen ist, geht er durch die Reihen und tätschelt Paddy Clohessy den Kopf.
    Es tut mir ja alles sehr leid mit den Clohessys und wie schlecht es ihnen geht, aber ich glaube, sie haben mir Ärger mit meiner Mutter erspart.

7
    Es gibt Donnerstage, da kriegt Dad sein Stempelgeld auf dem Arbeitsamt, und ein Mann sagt, gehen wir noch auf eine Pint, Malachy? und Dad sagt, eine, nur eine einzige, und der Mann sagt, o Gott, ja, eine, und bevor die Nacht vorüber ist, ist das ganze Geld weg, und Dad kommt singend nach Hause und holt uns aus dem Bett, und wir müssen uns aufstellen und versprechen, daß wir für Irland sterben, wenn der Ruf ergeht. Er holt sogar Michael aus dem Bett, und der ist erst drei, aber da steht er schon und singt und verspricht, daß er bei der ersten sich bietenden Gelegenheit für Irland stirbt. So nennt Dad das, die erste sich bietende Gelegenheit. Ich bin neun, und Malachy ist acht, und wir kennen alle Lieder. Wir singen alle Strophen von Kevin Barry und Roddy McCorley und Wenn alles ringsum und O’Donnell Abu und The Boys of Wexford. Wir singen und versprechen zu sterben, weil man nie weiß, wann Dad vielleicht einen oder zwei Pennies vom Trinken übrig hat, und wenn er sie uns gibt, können wir am nächsten Tag zu Kathleen O’Connell rennen und Karamelbonbons kaufen. In manchen Nächten sagt er, Michael ist der beste Sänger von
allen, und er gibt ihm den Penny. Malachy und ich fragen uns, was es für einen Sinn haben soll, acht und neun zu sein und alle Lieder zu können und zum Sterben bereit zu sein, wenn Michael den Penny kriegt und am nächsten Tag in den Laden gehen und sich das Maul mit Karamelbonbons vollstopfen kann. Niemand kann von ihm verlangen, daß er mit drei Jahren für Irland stirbt, nicht mal Padraig Pearse, der neunzehn-sechzehn in Dublin von den Engländern erschossen worden ist und von der ganzen Welt erwartet hat, daß sie mit ihm stirbt. Außerdem hat Mikey Molloys Vater gesagt, jeder, der für Irland sterben will, ist ein Affenarsch. Die Menschen sterben nun schon seit allem Anbeginn für Irland, und seht euch an, in welchem Zustand das Land ist.
    Es ist schon schlimm genug, daß Dad seine Arbeit immer in der dritten Woche verliert, aber jetzt vertrinkt er auch noch einmal monatlich sein ganzes Stempelgeld. Mam ist verzweifelt, und morgens hat sie das bittere Gesicht und redet nicht mit ihm. Er trinkt seinen Tee und verläßt das Haus in aller Frühe und macht seinen langen Spaziergang über Land. Wenn er am Abend zurückkommt, spricht sie nicht mit ihm und macht ihm keinen Tee. Wenn das Feuer aus ist, weil es an Kohle oder Torf fehlt und man kein Wasser für den Tee kochen kann, trinkt er Wasser aus einem Marmeladenglas und schmatzt mit den
Lippen, wie er das bei einer Pint machen würde. Er sagt, gutes Wasser ist alles, was ein Mann braucht, und Mam macht ein schnaubendes Geräusch. Wenn sie nicht mit ihm spricht, ist das Haus schwer und kalt, und wir wissen, daß wir auch nicht mit ihm sprechen dürfen, weil wir Angst haben, daß sie uns dann mit dem bitteren Gesicht ansieht. Wir wissen, daß Dad das Böse getan hat, und wir wissen, daß man jeden leiden lassen kann, wenn man nicht mit ihm spricht. Sogar der kleine Michael weiß, daß man, wenn Dad das Böse getan hat, von Freitag bis Montag nicht mit ihm spricht, und wenn er versucht, einen auf den Schoß zu nehmen, rennt man zu Mam.
     
     
    Ich bin neun Jahre alt und habe einen Freund, Mickey Spellacy, dessen Verwandte einer nach dem anderen an der galoppierenden Schwindsucht eingehen. Ich beneide Mickey, denn jedesmal, wenn in seiner Familie jemand stirbt, kriegt er eine Woche schulfrei, und seine Mutter stickt ihm eine schwarze Raute auf den Ärmel, damit die Leute auf den Gassen wissen, daß er die Trauer hat, und sie tätscheln ihm den Kopf und geben ihm Geld und Süßigkeiten für seinen Kummer.
    Aber diesen Sommer macht Mickey sich Sorgen. Seine Schwester, Brenda, wird vor Schwindsucht
immer weniger, und es sind bald Ferien, und wenn sie vor September stirbt, kriegt er nicht schulfrei. Er kommt zu Billy

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