Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
morgen um elf hierher und lies mir vor.
Gern, Sir.
Bist du sicher, daß du lesen kannst?
Ja, Sir.
Du kannst Mr. Timoney zu mir sagen.
Gern, Mr. Timoney.
Onkel Pat grummelt am Gartentor und reibt sich das Bein. Wo ist mein Geld, und schwatzen sollst du aber nicht mit der Kundschaft, und ich steh hier mit dem Bein, vom Regen ruiniert. Er muß in der Kneipe am Punch’s Cross Station machen, damit das ruinierte Bein eine Pint bekommt. Nach der Pint sagt er, er kann keinen Zoll weit mehr gehen, und wir steigen in einen
Bus. Der Schaffner sagt, Fahrgeld, bitte das Fahrgeld, aber Onkel Pat sagt, gehen Sie weg und behelligen Sie mich nicht, können Sie nicht sehen, in was für einem Zustand mein Bein ist?
Oh, schon gut, Abt, schon gut.
Der Bus hält beim O’Connell-Monument, und Onkel Pat geht ins Monument Fish and Chip Café, wo die Gerüche so köstlich sind, daß mir der Magen vor Hunger klopft. Er kauft sich für einen Shilling Fisch mit Fritten, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen, aber als wir bei Oma vor der Tür sind, gibt er mir eine Drei-Penny-Münze und sagt, nächsten Freitagabend soll ich wiederkommen und jetzt zu meiner Mutter nach Hause gehen.
Macushla liegt vor Mr. Timoneys Haustür, und als ich die Gartenpforte öffne, stürzt sie sich auf mich und wirft mich zurück auf den Bürgersteig, und sie hätte mir das Gesicht weggefressen, wenn Mr. Timoney nicht herausgekommen wäre und mit seinem Stock auf sie eingedroschen und gebrüllt hätte, willst du wohl damit aufhören und reinkommen, du Hure, du zu groß geratene menschenfressende Tochter einer Hündin. Hast du etwa kein Frühstück gehabt, du Hure? Ist dir auch nichts passiert, Franziskus? Komm rein. Dieser Hund ist ein echter Hindu, Tatsache, und da habe ich auch ihre Mutter gefunden, als die durch Bangalore stromerte. Wenn du dir je einen
Hund anschaffst, Franziskus, paß auf, daß es ein Buddhist ist. Gutartige Hunde, die Buddhisten. Schaff dir nie, nie einen Mohammedaner an. Die fressen dich im Schlaf. Und nie einen katholischen Hund. Die fressen dich jeden Tag, freitags inklusive. Setz dich und lies mir vor.
Den Limerick Leader, Mr. Timoney?
Nein, nicht den blöden Limerick Leader. Das Loch meines Arsches würde ich mir nicht mit dem Limerick Leader auswischen. Da drüben liegt ein Buch auf dem Tisch, Gullivers Reisen. Das sollst du mir aber gar nicht vorlesen. Sieh mal hinten nach, Ein bescheidener Vorschlag, wie man verhindern könnte und so weiter heißt das. Für jene, so auf zween Füßen wandeln, ist es ein melencholisch Ding, so fängt es an … Hast du’s? Ich hab den ganzen verdammten Text im Kopf, aber ich will trotzdem, daß du’s mir vorliest.
Nach zwei oder drei Seiten unterbricht er mich. Du liest gut. Und was hältst du davon, Franziskus, daß ein junges, gesundes, wohlgenährtes Kind, ein Jahr alt, ein überaus schmackhaftes, nahrhaftes und gesundes Lebensmittel ist, gleichviel ob geschmort, gebraten, gebacken oder gekocht, na? Liebend gern hätte Macushla einen schönen drallen irischen Säugling zum Abendessen, stimmt’s, du alte Tempelhure?
Er gibt mir Sixpence und sagt, ich soll nächsten Samstag wiederkommen.
Mam ist entzückt, weil ich Sixpence verdient habe, indem ich Mr. Timoney vorgelesen habe. Was wollte er vorgelesen kriegen, den Limerick Leader? Ich sage ihr, ich mußte den Bescheidenen Vorschlag hinten aus Gullivers Reisen vorlesen, und sie sagt, dann ist es gut, das ist ja nur ein Kinderbuch. Man könnte fast erwarten, daß er etwas Seltsames hören will, denn er ist ein bißchen daneben im Kopf nach den Jahren in der Sonne bei der englischen Armee in Indien, und es heißt, er war sogar mit einer von diesen indischen Frauen verheiratet, und sie wurde bei irgendeiner Sorte von Aufruhr aus Versehen von einem Soldaten erschossen. Wenn einem so was passiert, das treibt einen zu Kinderbüchern. Sie kennt diese Mrs. Minihan, die in dem Haus neben Mr. Timoney wohnt und bei ihm geputzt hat, aber dann hat sie es nicht mehr ertragen, wie er über die katholische Kirche gelacht und gesagt hat, was für den einen Mann Sünde ist, ist für den andern ein Jux. Gegen einen gelegentlichen Tropfen Sherry am Samstagvormittag hatte Mrs. Minihan gar nichts einzuwenden, aber dann hat er versucht, sie zum Buddhisten zu machen, was er, wie er sagte, selbst auch sei, und den Iren ganz generell ginge es viel besser, wenn sie unter einem Baum säßen und den Zehn Geboten und den sieben Todsünden dabei zuschauten, wie
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