Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Husten bringt mich um. Aber ich habe die Nächte in der Wembley Hall nicht vergessen. Jesusnochmal, du warst eine großartige Tänzerin. Nächte in der Wembley Hall, Angela, und hinterher Fisch mit Fritten. Ach ach, ach ach, ach Angela.
Meiner Mutter laufen Tränen über die Wangen. Sie sagt, du warst ebenfalls ein großartiger Tänzer, Dennis Clohessy.
Wir hätten Turniere gewinnen können, Angela. Fred und Ginger hätten aufpassen müssen, aber du mußtest ja nach Amerika durchbrennen, Jesusnochmal.
Er kriegt einen weiteren Hustenanfall, und wir müssen dabeistehen und zusehen, wie er wieder über dem Eimer hängt und den üblen Kram aus seinem Inneren herauswürgt. Gárda Dennehy sagt, ich glaube, Missis, wir haben den Jungen gefunden, und ich gehe dann mal lieber. Zu mir sagt er, wenn du jemals wieder die Schule
schwänzt, stecken wir dich ins Gefängnis, Junge. Hörst du mir überhaupt zu, Junge?
Ja, Herr Wachtmeister.
Quäle deine Mutter nicht, Junge. Das ist etwas, womit sich die gárdaí nie abfinden werden, das Quälen von Müttern.
Bestimmt nicht, Herr Wachtmeister.
Er geht, und Mam geht zu dem Bett, um Mr. Clohessys Hand zu nehmen. Sein Gesicht ist um die Augen herum ganz eingefallen, und sein Haar glänzt schwarz von dem Schweiß, der ihm die Stirn herunterrinnt. Seine Kinder stehen um das Bett herum und sehen ihn an und sehen Mam an. Mrs. Clohessy sitzt vor dem Herd, rattert mit dem Schürhaken im Feuerloch und schubst das Baby weg, damit es sich nicht verbrennt. Sie sagt, er ist verdammtnochmal selbst schuld, wenn er nicht ins Krankenhaus will, ist aber doch wahr.
Mr. Clohessy keucht, mir wäre ja schon geholfen, wenn ich an einem trockenen Ort leben könnte. Angela, ist Amerika ein trockener Ort?
Ja, Dennis.
Der Doktor hat mir gesagt, ich soll nach Arizona gehen. Ein komischer Mann, dieser Doktor. Arizona, wie geht’s. Ich hab nicht mal das Geld für eine Pint um die Ecke.
Mam sagt, du kommst schon wieder auf den Damm, Dennis. Ich werde eine Kerze für dich anzünden.
Spar dein Geld, Angela. Für mich sind die Tage des Tanzes vorüber.
Ich muß jetzt gehen, Dennis. Mein Sohn muß in die Schule.
Bevor du gehst, Angela, wirst du mir noch einen Gefallen tun? Gern, Dennis, wenn es in meiner Macht liegt.
Würdest du uns wohl eine Strophe dieses Liedes schenken, das du an dem Abend gesungen hast, bevor du nach Amerika gegangen bist?
Das ist ein schweres Lied, Dennis. Dafür fehlt es mir bestimmt an Atem.
Ach, komm schon, Angela. Nie mehr höre ich ein Lied. Es gibt kein Lied in diesem Hause. Die Frau da hat keine einzige Note im Kopf und keinen einzigen Tanzschritt im Fuß.
Mam sagt, na gut. Ich werd’s versuchen.
Oh, die Nächte des Tanzes in Kerry, oh, des Pfeifers Melodie –
Was gäb’ für eine Stunde des Glücks ich, dahin, ach, wie unsre Jugend, zu früh.
Als die Buben beisammen kamen in der Schlucht einer Sommernacht
Und die Weise des Pfeifers von Kerry die Tollheit in uns hat entfacht. Ref 20
Sie hört auf und preßt die Hand gegen die Brust. Ach Gott, ich krieg keine Luft mehr. Hilf mir,
Frank, mit dem Lied. Und ich singe mit ihr zusammen.
Oh, daran zu denken, oh, davon zu träumen; mein Herz mit Tränen sich füllt.
Oh, die Nächte des Tanzes in Kerry, oh, des Pfeifers Melodie –
Was gäb’ für eine Stunde des Glücks ich, dahin, ach, wie unsre Jugend, zu früh.
Mr. Clohessy versucht, mit uns zu singen, dahin, ach, wie unsre Jugend, zu früh, aber davon muß er husten. Er schüttelt den Kopf und weint, du hast ja so recht, Angela. Plötzlich ist alles wieder da. Gott segne dich.
Gott segne dich ebenfalls, Dennis, und haben Sie vielen Dank, Mrs. Clohessy, daß Sie sich um Frankie gekümmert haben und er von der Straße weg war.
Keine Ursache, Mrs. McCourt. Er ist ja eher still.
Eher still, sagt Mr. Clohessy, aber er ist nicht der Tänzer, den man bei einer solchen Mutter erwarten sollte.
Mam sagt, es ist nicht leicht, mit einem Schuh zu tanzen, Dennis.
Ich weiß, Angela. Aber man fragt sich doch, warum er ihn nicht ausgezogen hat. Ist er vielleicht ein bißchen komisch?
Ach, manchmal hat er diese komische Art wie sein Vater.
Ah ja. Der Vater ist aus dem Norden, Angela, und das würde einiges erklären. Mit einem Schuh tanzen? Im Norden finden sie das ganz normal.
Wir gehen die Patrick Street und die O’Connell Street entlang, Paddy Clohessy und Mam und Michael und ich, und Mam schluchzt den ganzen Weg. Michael sagt, weine nicht, Mammy. Frankie läuft
Weitere Kostenlose Bücher