Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
für die Kinder.
Wenn sie es kriegen sollten, hätten sie es längst.
Das Feuer stirbt ab, und Mrs. Clohessy klettert über ihn hinüber ins Bett. Eine Minute später ist sie eingeschlafen, obwohl er immer noch hustet und über die Zeiten lacht, als er mit Angela Sheehan, leicht wie eine Feder, in der Wembley Hall zu tanzen pflegte.
Es ist kalt in dem Zimmer, und ich bibbere in meinen nassen Sachen. Paddy bibbert auch, aber er schläft und weiß nicht, daß ihm kalt ist. Ich weiß nicht, ob ich hierbleiben oder aufstehen und nach Hause gehen soll, aber wer will schon durch die Straßen wandern, wenn ein Polizist kommen und einen fragen könnte, was man um die Zeit draußen treibt. Ich bin zum erstenmal von meiner Familie weg, und ich weiß, ich wäre lieber in meinem eigenen Haus mit dem stinkigen Klo und dem Stall gleich nebenan. Es ist schlimm, wenn unsere Küche ein See ist und wir nach Italien rauf müssen, aber bei den Clohessys ist es noch schlimmer, wo man vier Stockwerke tief aufs Klo muß und auf dem ganzen Weg nach unten auf Scheiße ausrutscht. Da ist man ja mit vier Ziegen in einem Graben besser dran.
Ich schlafe halb ein und wache mehrmals wieder halb auf, aber dann muß ich endgültig aufwachen, als Mrs. Clohessy die Runde macht und an ihrer Familie zerrt, um sie zu wecken. Sie sind alle angezogen ins Bett gegangen, deshalb brauchen sie sich nicht anzuziehen, und es gibt keinen Streit. Sie murren und rennen zur Tür hinaus, um schnell unten und auf dem Hinterhofklo zu sein. Ich muß auch mal, und ich renne mit Paddy hinunter, aber seine Schwester Peggy sitzt schon drauf, und wir müssen gegen eine Mauer pissen. Sie sagt, ich sag Ma, was ihr gemacht
habts, und Paddy sagt, Schnauze, oder ich stopf dich in das Scheißklo. Sie springt vom Topf, zieht sich die Unterhose hoch, rennt die Treppe hinauf und schreit, das sag ich, das sag ich, und als wir zurück ins Zimmer kommen, gibt Mrs. Clohessy Paddy für das, was er seiner armen kleinen Schwester angetan hat, eine Kopfnuß. Paddy sagt nichts, denn Mrs. Clohessy löffelt Haferbrei in Tassen und Marmeladengläser und einen tiefen Teller und sagt uns, aufessen und ab in die Schule. Sie sitzt am Tisch und ißt ihren Haferschleim. Ihr Haar ist grauschwarz und schmutzig. Es baumelt in den tiefen Teller, Haferschleim und Milchtropfen bleiben dran kleben. Die Kinder schlürfen den Haferschleim und beklagen sich, sie hätten nicht genug gekriegt, sie stürben vor Hunger. Sie haben rotzige Nasen und entzündete Augen und schorfige Knie. Mr. Clohessy hustet und windet sich auf dem Bett und spuckt große Blutklumpen, und ich renne aus dem Zimmer und kotze auf die Treppe, wo eine Stufe fehlt, und einen Stock tiefer regnet es Haferschleim und Apfelstückchen auf die Leute, die auf das Hofklo gehen oder vom Hofklo kommen. Paddy kommt mir nach und sagt, ist nicht weiter schlimm. Auf der Treppe wird jedem mal übel, oder er scheißt gleich drauf, und das ganze Scheißhaus stürzt sowieso ein.
Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Wenn ich
wieder in die Schule gehe, werde ich umgebracht, und warum soll ich in die Schule oder nach Hause, um mich umbringen zu lassen, wenn mir die Landstraße offensteht und ich mich für den Rest meines Lebens von Milch und Äpfeln ernähren kann, bis ich nach Amerika gehe. Paddy sagt, na komm. Schule ist sowieso Schwindel, und die Lehrer sind alles arme Irre.
Es wird an die Tür der Clohessys geklopft, und da ist Mam, mit meinem kleinen Bruder Michael an der Hand und gárda Dennehy, der für die Schulpflicht zuständig ist. Mam sieht mich und sagt, was machst du denn mit dem einen Schuh? und gárda Dennehy sagt, na, Missis, eine wichtigere Frage wäre wohl, was machst du denn ohne den anderen Schuh, haha.
Michael läuft zu mir. Mammy hat geweint. Mammy hat um dich geweint, Frankie.
Sie sagt, wo warst du die ganze Nacht?
Ich war hier.
Ich war außer mir vor Sorge. Dein Vater hat jede Straße in Limerick nach dir abgesucht.
Mr. Clohessy sagt, wer ist das an der Tür?
Es ist meine Mutter, Mr. Clohessy.
Gott im Himmel, ist das Angela?
Ja, Mr. Clohessy.
Er rappelt sich auf und stützt sich auf die Ellenbogen. Ja, um der Liebe Gottes willen, kommst du wohl herein, Angela.
Kennst du mich nicht mehr?
Mam sieht verwirrt aus. Es ist dunkel in dem Zimmer, und sie versucht auszumachen, wer in dem Bett ist. Er sagt, ich bin’s, Dennis Clohessy, Angela.
Nein.
Doch, Angela.
Nein.
Ich weiß, Angela. Ich hab mich verändert. Der
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