Die Asklepios Papiere (German Edition)
die Tasche mit den Dokumenten und sah zu, wie die Beute regelrecht zerfetzt wurde.
Während die Lesenden ungläubig die Köpfe schüttelten, führte Claude die beiden in die kleine Teeküche der Radaktion und reichte ihnen Kaffee und Kekse.
„Kommt erst einmal zur Ruhe und entspannt euch. Lasst die Leute hier ihre Arbeit machen. In einer halbe Stunde gehen wir auf Sendung. Vorher sollten wir uns alle noch einmal kurz zusammensetzten, damit ihr die Ereignisse der letzten Tage aus eurer Sicht schildern könnt, ja? Die Staatsanwaltschaft will dabei überprüfen, ob aus ermittlungstaktischen Gründen einige Informationen eventuell nicht gesendet werden dürfen.“
„ Wir müssen mit dem Staatsanwalt auch über Peters Unfall sprechen. Die Ermittlungen müssen wieder aufgenommen werden“, warf Hannah ein.
Claude nickte.
„Bis gleich.“ Eilenden Schrittes verließ er die Teeküche und stürzte sich ins Getümmel.
D r. Claire Hutton stand auf der weitläufigen Dachterrasse ihrer noblen Penthouse-Wohnung auf der Ile-St. Louise und blickte abwechselnd auf die SMS von Gerald Ginster und die mit Blaulicht vorfahrenden Streifenwagen der Pariser Polizei. „Unterlagen konnten nicht sichergestellt werden...G.“ Das Spiel war also endgültig aus!
Den Fernseher im Wohnzimmer hatte sie ausgeschaltet, weil sie es nicht mehr ertrug. Die Nachricht lief als Topmeldung bereits auf allen Kanälen: PSU entwickelte Wunderimpfstoff mit Hilfe menschenverachtender Tests in Afrika! Haftrichter stellt nach Angaben des Justizministers in dieser Minute Haftbefehle für alle Verantwortlichen aus …und so weiter und so weiter.
Alle Mühe umsonst. Ginster und seine Sprüche, dass er alles im Griff habe und sie nach Hause gehen sollte. Sie wusste, was nun zu tun war.
In der Hand hielt sie ein Glas Wein aus eben jener Flasche Château Lafite-Rothschild, die Devon Carter ihr gestern Nachmittag persönlich ins Büro gebracht hatte.
„ Eine kleine Anerkennung für die hervorragende Leistung. Stoß heute Abend mit einem der besten Weine der Welt auf eine der besten Leistungen der Welt an. Allein die Gewinnbeteiligung wird dich nach Abschluss des Geschäftsjahres zur Millionärin machen !“
Pah, dieser Heuchler! Im Live-Interview bei Toute la vérité hatte Carter vorhin jede Beteiligung abgestritten und erklärt, es handele sich einzig und allein um einen beispiellosen Alleingang der für den Bereich Forschung und Entwicklung zuständigen Dr. Claire Hutton. Er selbst werde alles daran setzten, dass dieses Fehlverhalten gerichtlich aufgeklärt und die Verantwortliche mit aller Härte bestraft werde. Sie hatte den Kanal gewechselt, bevor das Interview beendet war. Sie ertrug seine Halbwahrheiten einfach nicht mehr.
Blöder Idiot ! Natürlich war es ein Alleingang. Zunächst. Keine Fragen, keine Erklärungen. Doch seit die Unterlagen verschwunden waren, wusste Carter Bescheid. Er persönlich hatte doch den Auftrag erteilt, alles zu vertuschen!
Hegte sie selbst Zweifel an ihrem Vorgehen in Afrika? Natürlich. Mehr als einmal. Doch bei nüchterner Betrachtung hatte sie moralisch korrekt gehandelt. Das Wohl vieler wog schwerer, als das Wohl einzelner. Das war nun einmal ihre Überzeugung. Auch wenn bei den Tests leider einige Probanden starben, was durchaus als tragisch anzusehen war, so hatte der hohe Standard an medizinischer Versorgung, den die Forschungseinrichtung von PSU in diesem Nest in Afrika etabliert hatte, doch wahrscheinlich jeden Tag ein Vielfaches dieser Zahl an Einheimischen vor dem ansonsten sicheren Tod bewahrt.
Doch Claire Hutton wusste genau, wo das Dilemma lag: Kein Richter der Welt würde sich trauen, diese Sichtweise in einer öffentlichen Verhandlung als moralisch richtig zu bewerten. Heuchler!
Sie hatte der Menschheit das Heilmittel für die Geißel der Moderne geliefert und wusste, dass sie als Dank dafür nicht den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen wollte. Sie wischte sich eine Träne aus den Augen, stieg über die Brüstung ihres Balkons und sprang ins Dunkel der Nacht.
Tag 6 - Sonntag / dimanche
49.
C laude Boné erwachte wieder einmal mit einem brummenden Schädel. Im Halbdunkeln seines kleinen Schlafzimmers sah er auf den Radiowecker. Noch keine neun Uhr morgens. Viel zu früh zum Aufstehen.
Neben sich spürte er eine Regung. Verwunderte tastete er nach rechts und fühlte einen nackten Körper. Er blickte sich um und erkannte durch die Schlitze seiner noch halb
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