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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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es ihm auch gelungen.«
    »Sie meinen also, daß dieser ..., daß der ...«, ich konnte nicht die passende Bezeichnung finden, »daß das irgendein Tier ist? So eine Art elektrischer Aal, ein Zitterrochen?«
    »Zitterrochen gibt es auf der Erde, wir sind jedoch auf der Venus. Es ist weder Tier noch Pflanze, sondern ganz einfach lebendes Plasma.«
    »Lebend – das geht mir nicht in den Kopf«, erwiderte ich. »Das Wasser im Fluß bewegt sich doch auch, und trotzdem würde es niemandem einfallen, es als lebend zu bezeichnen.«
    »Das ist ein Streit um Worte«, sagte Arsenjew. »Diese Masse besitzt gewisse Merkmale einer lebenden Substanz, es sieht aber nicht so aus, als ob – Moment mal, was ist denn das für ein Klirren?«
    Die Dunkelheit breitete sich immer rascher aus; es wurde Nacht. Schon seit einer ganzen Weile hatte ich das Empfinden, daß um mich herum etwas Sonderbares vorging; aber erst jetzt vernahm ich dieses Klirren, das aus unserer Nähe kommen mußte. Ich blickte auf mein Handgelenk – und erschrak. Ich trug dort einen Magnetkompaß, den ich bis jetzt nicht benutzt hatte, da der Girokompaß viel zuverlässiger war. Gewöhnlich leuchtete seine Nadel wie ein phosphoreszierender kleiner Pfeil. Jetzt aber hatte sie sich in eine kreisrunde, verschwommene helle Scheibe verwandelt, die mit unerhörter Geschwindigkeit um ihre Achse wirbelte und dabei ein leises, aber scharfes Geräusch von sich gab. »Sehen Sie nur, Professor ...«
    In diesem Augenblick zeigte sich zwischen den Wolken ein rasch wieder verschwindendes Aufblitzen. Reglos, silbrig, wie die aufgeschlitzten Bäuche toter Fische hingen die Wolken in das Dunkel. Ein gespenstisches Licht lag über dem Boden.
    Alles um uns herum schien zu schmelzen, zu zerfließen. Die Atmosphäre nahm ein wunderliches Aussehen an. Schwankende Bündel faltiger Säulen breiteten sich aus, wuchsen in die Höhe und wurden zu Quellen eines mattsilbernen Wetterleuchtens. Bald blitzte es hier, bald blitzte es dort. Bald flammten tiefere, dann wieder höhere Dunstschichten lautlos auf. In dem Flattern grauer Schatten und gelblichen Lichtes kreisten feurige Büschel und Kugeln und sanken in einem Strahlenkreuz violetter Funken langsam zu Boden. Unwillkürlich verlangsamten wir unsere Schritte. Ich hörte, wie Arsenjew zu Rainer sagte, daß diese Erscheinung eine Art elektromagnetisches Gewitter sei.
    »Beachten Sie nur das rhythmische Erlöschen!«
    Die Umdrehungen der Kompaßnadel waren noch schneller geworden. Nach einigen Sekunden änderte sich jedoch die Drehrichtung, und dieses Überspringen von der einen in die andere war von einem Erlöschen des gespenstischen Dämmerlichtes begleitet. Hoch droben zogen die Wolken. Sie waren so hell, daß man sie durch den Nebel sehen konnte. Es herrschte eine beklemmende Stille. Sie schien nichts Gutes zu bedeuten. Arsenjew hatte sein Gespräch mit Rainer unterbrochen. Wir machten halt. Das Licht wurde schwächer. Es sah aus, als zerstreute es sich herabsinkend über den Boden, während die höheren Schichten der Atmosphäre immer mehr in das Dunkel rückten.
    Die Luft um uns verharrte weiter in schweigender Bewegungslosigkeit. Aus den höchsten Höhen aber drang ein anfangs sehr, sehr weit entferntes Brausen, das in ein tiefes Brummen überging.
    »Ich fürchte, wir werden in die Schlucht zurückkehren müssen«, sagte Arsenjew.
    Wir standen noch da, unschlüssig, was wir tun sollten, da zerriß ein Heulen die Luft, als käme ein Flugzeug im Sturzflug herunter. Der Nebel geriet in Bewegung, wogte durcheinander, begann zu fließen. Die letzten Herde elektrischer Entladungen erloschen. Mitten aus der Finsternis traf uns ein jäher, gewaltiger Windstoß, der uns fast zu Boden warf. Wir hielten uns gegenseitig an den Händen gepackt. Jemand schaltete seinen Reflektor ein. In dem Lichtkegel sahen wir, daß sich der Nebel nicht mehr ballte, sondern wie Ströme trüben Wassers,die aus einer geöffneten Schleuse schießen, vorbeijagte.
    Keiner von uns sprach ein Wort. Wir kehrten um und liefen, von furchtbaren Böen gehetzt, stolpernd, stürzend und mühsam wieder emportaumelnd, zurück zur Schlucht. Durchdringend pfiff der Sturm in den Antennen der Helme. Die Luft, die hart wie ein geblähtes Tuch geworden war, schlug an unsere Schultern und knatterte in den Falten unserer Kombinationen. Ich weiß nicht, wie lange wir so weitergerast sind, weiter, bis vor uns in der Finsternis der Schemen einer Wolke auftauchte, die, an einer Stelle

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