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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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schwarzem Protoplasma? Und die Grotte? War das vielleicht ein Friedhof? Auf welche Weise war jener ungeheure Krater entstanden? Warum war das Rohr in zwei Teile zerrissen?
    Dann muß ich wohl eingeschlafen sein. Es war ein bleierner Schlaf, der an Bewußtlosigkeit grenzte. Als ich die Augen öffnete, waren mir sämtliche Knochen erstarrt. Die Uhr zeigte die sechste Stunde an. In meiner Heimat auf der Erde war um diese Zeit das Morgendämmern schon zum hellichten Tag geworden, hier aber herrschte eine solche Finsternis, daß ich nicht einmal unterscheiden konnte, wo das Metall des Helmes in das Glas des kleinen Fensters überging. Der blasse, tagsüber kaum sichtbare Radarschirm erfüllte das Innere des Helmes mit seinem grünlichen, phosphoreszierenden Licht. Das Heulen des Windes war schwächer geworden. Auch der Regen hatte aufgehört. Vorsichtig, um die Gefährten nicht zu wecken, rappelte ich mich auf. Der Stoff der Kombination war von einer feinen Eiskruste bedeckt, die bei jeder Bewegung wie Glas absplitterte. Ich schaltete für einen Augenblick den Reflektor ein und sah drei regungslose, zusammengekrümmte Gestalten unter dem Felsen hocken. Träge zog ein dünner Nebel, vom kühlen Lufthauch aufgestört, vorüber.
    Ich begann, mich kräftig zu bewegen und schlug mit den Händen gegen Schulter und Schenkel. Der Lärm, den ich dabei machte, weckte Soltyk. Nach einer Weile waren alle munter geworden, standen auf und klagten über die Kälte.
    Wir traten unseren Weitermarsch an. Über die Ebene fegten eisige Windstöße, die durch sämtliche Isolationsschichten unserer Skaphander drangen. Die schwache Eisschicht auf den Pfützen barst knisternd unter unseren Sohlen, manchmal wich der Grund platschend auseinander, und wir versanken in sumpfigem Boden. Einmal drehte ich mich um und ließ das Licht des Reflektors über die hinter mir stapfenden Gestalten gleiten; ich sah durch die nässebeschlagenen Scheiben derHelme entzündete Augen, in Gesichter, die von zwei Tage alten Bartstoppeln bedeckt waren. Noch als die Dämmerung einbrach, am Rande der Schlucht, hatten wir die Radiosignale der Rakete gehört. In dem magnetischen Gewitter waren sie verstummt. Erst jetzt vernahmen wir sie wieder, und so war es uns möglich, trotz der Dunkelheit die Richtung einzuhalten und weiterzugehen ohne Furcht, uns zu verirren. Indessen verlangsamte einer nach dem andern den Schritt, und der Abstand zwischen uns vergrößerte sich immer mehr. Rainer schwankte hinter Arsenjew her, tief gebeugt, als wäre er um einen Kopf kleiner geworden. Er vermochte kaum noch die Füße zu heben. Plötzlich setzte er sich hin.
    Der Astronom drehte sich um und sprach wie zu einem kleinen Kind: »Na, Heinrich, steh doch auf.«
    Rainer antwortete nicht. Halbausgestreckt lag er da, sein Atem keuchte. Ich trat näher, um ihm zu helfen; aber der Astronom hielt mich zurück. »Nein, er wird allein aufstehen.«
    Der Chemiker stemmte sich mit den Händen gegen die Steine, richtete sich mühsam wie unter einer ungeheuren Last auf und kam uns nach.
    Vom weiteren Weg ist nicht viel in meiner Erinnerung haftengeblieben. Mir war zumute, als ob mein Hirn allmählich erstarrte. Ich ging in einem Halbschlaf weiter, aus dem ich nur von Zeit zu Zeit aufschreckte. Der Druck in den Sauerstoffflaschen war bereits auf dreißig Atmosphären gesunken. Wir mußten also gehen, ununterbrochen gehen, um unser Ziel zu erreichen, bevor sie leer waren. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß jemand hinter uns herschleiche. Das Sonderbare war, daß auch die anderen davon erfaßt wurden. Rainer, der sich als letzter dahinschleppte, fiel einige Male, da er sich ständig umsah. Von Zeit zu Zeit wechselten wir uns in der Führung ab, da es zu sehr ermüdete, in dieser Finsternis nach dem Weg Ausschau zu halten.
    Ich hatte gerade wieder die Spitze übernommen, als ich hoch in den Wolken eine weiße, verschwommene Säule erblickte. Aus dem steinigen Boden, der nun anstieg, ragten rauhe, holprige Felstafeln empor. Die weiße Säule pendelte langsam durch die Wolken. Eine neue, geheimnisvolle Erscheinung, schoß es mir durch den Kopf. Ein Ausruf des Astronomen berichtigte meinen Irrtum. Felsbrocken knirschten unter denFüßen. Nach einigen hundert Schritten standen wir am Engpaß zum See. Weit unten schimmerte das Nebelmeer. Aus seiner Tiefe wuchs eine leuchtende Säule in den Himmel, das Scheinwerferlicht der Rakete.

Das Experiment
    Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Tote Wald den Radiowellen den

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