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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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entfernt. Gleich darauf umhüllte eine hellerleuchtete Dampfwolke die Patrone, aber nicht lange, dann zerflossen die Dunstballen wieder. Mit erneuter, jedoch rasch abnehmender Stärke brachen die Strahlen unter dem improvisierten Fallschirm hervor. Zitternd verschmolz das Licht mit dem Dunstschleier. Drunten in der Tiefe zeigte sich eine schwärliche, langgestreckte Masse, die wie erstarrte Lavawellen glänzte. Als der Glanz nachließ, schien es mir, als ob sich diese Masse verbreiterte und dann wieder zusammenzöge wie der Leib einer Schlange, die ihre Beute verschlingt.
    Dann verschwand alles im Dunkel.
    Als wir vom Rande der Schlucht zurückgetreten waren, blieb Arsenjew stehen und steckte die Hände hinter den Gürtel des Skaphanders.
    »So ist es hier immer wieder ... Wenn man glaubt, daß die letzten Zweifel zerstreut sind, tauchen hundert neue auf. Was meint ihr zu dem dort?« Er wies mit der Hand nach unten.
    »Ich habe eine Bewegung bemerkt«, begann Rainer zögernd, »weiß allerdings nicht, ob ich mich täuschte, aber ...«
    »Nein, Sie täuschen sich nicht«, unterbrach ihn der Astronom. »Man könnte ja noch eine Patrone opfern; aber es lohnt sich nicht.«
    Er beugte sich wieder über den Felsrand. Eine Lichtgarbe schoß aus seinem Reflektor in die Tiefe und wurde vom Nebel verschluckt. »Was kann das sein, zum Teufel?«
    »Vielleicht ein Lavastrom?« äußerte Rainer vorsichtig. »Ich hatte den Eindruck, daß die Masse fließt.«
    »Die Temperatur ist zu niedrig.«
    »Vielleicht irgendein Kanal?«
    »Kanäle auf der Venus?«
    »Bis dort hinunter sind es nicht mehr als dreißig Meter«, warf ich ein.
    »Ein solches Licht erschwert die Schätzung ungeheuer. Na, es hilft ja alles nichts, wir müssen hinunter. Bitte, mir nach.«
    Arsenjew ließ sich als erster hinabgleiten. Das Gesicht zur Wand gekehrt, folgten wir ihm. Da das Gefälle geringer wurde, konnten wir uns umdrehen und etwas schneller ausschreiten.Über dem Felsen, der wie Basalt aussah, verliefen Rillen mit scharfen Kanten. Plötzlich rief Soltyk: »Achtung, da ist es!«
    Der Reflektor bewegte sich nicht mehr. In seinem Strahlenbündel erschien ein gewölbter Wall, der fettigschwarz wie der Rücken eines Walfisches glänzte. Er füllte das flache Felsbett aus, erhob sich sogar über die Steine des Ufers, die einige Dutzend Meter von einander entfernt waren, und verschwand nach beiden Seiten aus dem Bereich des Lichtes. Die Oberfläche dieser Masse befand sich in einem ständigen langsamen Auf- und Abwogen. Es war eine rhythmische Kontraktion, deren Wellen von der rechten Seite her in Erscheinung traten und auf der linken ausliefen.
    »Peristaltik«, flüsterte einer.
    Arsenjew ging über einen Felsen, der wie ein Steg in das Felsbett hineinragte, auf die schwarze Masse zu. Am äußersten Ende blieb er stehen, so daß er sie mit dem Fuß betasten konnte. Ein kleistriger Spritzer blieb an seinem Schuh haften. Die Umgebung der berührten Stelle wallte auf. Der regelmäßige Rhythmus, in dem sich die Masse bis jetzt bewegt hatte, verlor sich. Die Luft erzitterte leicht. Ein Windhauch strich die Wände entlang. Der glänzende Brei fing an, sich langsam aufzutürmen und beulenförmig übereinanderzuschieben. Zeitweise erstarrte die Masse, halbflüssig wie sie war, bis sie schließlich einen breiten, auseinanderfließenden Ausläufer wie einen Fühler gegen den Rand des Felsens vorstreckte, auf dem Arsenjew stand.
    »Vorsicht, Professor!« rief ich.
    Unbeweglich erwartete er das herankommende Etwas. Der schwarze Brei berührte seine Schuhe. Dann zog er sich zurück, um sich plötzlich wieder nach vorn zu stürzen und sie zu umschließen. Aus dem Nebel tauchte ein Buckel auf und rollte wie eine Woge in der Brandung auf Arsenjew zu. Einer von uns, ich glaube, es war Rainer, schaltete seinen Reflektor an. Der Professor schrie auf und versuchte zurückzuweichen. Es umflutete ihn bis an die Knie. Wieder durchzuckte die schwarze Masse ein krampfartiges Beben.
    »Zurück, Professor, zurück!« schrie ich. Ich konnte nicht begreifen, warum er stehenblieb, wie mit dem Fels verwachsen. Er krümmte sich zusammen, seine Schultern bebten, alswollte er eine schwere Last hochheben. Soltyk, der ihm am nächsten stand, sprang von der Seite auf ihn zu und wollte ihn zurückreißen. Er glitt jedoch aus und fiel bis an die Hüften in den schwarzen Brei. Er stieß einen unterdrückten Schrei aus.
    Ich hielt das Seil mit beiden Händen und zog aus Leibeskräften. Rainer

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