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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verharrend, mit schwindelerregender Geschwindigkeit um sich selbst kreiste. Es war ein Wirbel von verdichtetem Nebel, der zwischen den Rändern der Schlucht entstanden war. Je tiefer wir hinabstiegen, um so schwächer wurde der Sturm. Seine unsichtbaren Wutausbrüche über der Felsschlucht knatterten wie ein Segel, das plötzlich Wind fängt. Mühsam tasteten wir uns bis zu einem Felsüberhang. Der Nebel wallte wie siedendes Wasser. Über uns, auf der Ebene, die nun in Finsternis getaucht lag, ertönte durchdringendes Heulen, Winseln, Krähen und Gelächter, als kämpften dort Rudel von Hyänen und Schakalen miteinander. Dann war auf einmal alles in grellweißem Licht überstrahlt, als hätte glühendes Quecksilber den Nebel verdrängt. Ein heftiger Donner folgte. Es dröhnte, als wäre eine schwere Falltür über uns zugeschlagen worden. Gleichzeitig spürte ich ein leichtes Trommeln auf meinen Händen und Armen. Schräg vorbeihuschende Tropfen blitzten im Scheinwerferlicht auf. Regen!
    Das Trommeln verstärkte sich. Der Wind dort oben heulte nun ohrenbetäubend und warf den Regen in ganzen Wogen gegen den Felsen. Wir lehnten uns an die Wand, so dicht wir nur konnten. Von den Helmen und Skaphandern strömte das Wasser hernieder. Um uns herum bildeten sich große Pfützen, die aufschäumten, wenn Regen und Wind hineinfuhren. Plötzlich klang rasender Trommelwirbel von den Felsen, und da hörte ich auch schon helle Schläge gegen meinen Helm: Hagel. Hagelkörner, groß wie Bohnen, knallten an den Helm und blendeten uns, wenn sie von der Scheibe absprangen.
    »Kommt hierher!« rief Arsenjew.
    Tatsächlich. Einige Schritte weiter war ein flache Nische in der Wand. Dort waren wir vor dem Hagel einigermaßen sicher.Das Wasser, das über die Felshänge herabstürzte, rauschte immer lauter. Im Lichtkreis des Scheinwerfers, den der Astronom an seiner Brust befestigt hatte, glänzte der Boden von zersplittertem Eis.
    Der Felsen schützte uns zwar von der Seite und von oben. Ich spürte jedoch an den Beinen die Splitter der zerplatzenden Eiskörner, die wie Hunderte kleiner Nadeln stachen.
    Durch das ununterbrochene Heulen des Orkans dröhnte ein über das andere Mal der Donner. Grelle Blitze erhellten die Regenströme und den Nebel, der sich in wahnsinniger Flucht zusammenballte und wieder auseinanderflatterte. Gleißendes Licht strahlte die wasserüberfluteten Felsen an. Nur unter größter Anstrengung gelang es mir, einige flache Steine herbeizuschleppen und in der Felsnische aufzustellen, so daß wir uns wenigstens setzen konnten. Unablässig peitschte der Regen an unsere Helme und floß über die Glasscheibe. Aneinandergekauert blieben wir sitzen. Stunde auf Stunde verrann, das Unwetter ließ nicht nach. Wohl hörte der Hagel auf, aber dafür begannen glänzende Schneeflocken herabzuwirbeln. Regungslos hockten wir da. Ruhige, tiefe Atemzüge verrieten, daß meine Gefährten eingeschlafen waren. Nur ich selbst, so müde ich war, vermochte keinen Schlaf zu finden. Ich sah natürlich ein, daß es notwendig war, Kraft für den weiteren Weg zu sammeln, und drückte deshalb auch die Augenlider zu, um mich von dem Heulen und Brausen des Sturmes abzuschließen. Unter der dichten Decke der Finsternis aber drehte sich pausenlos vor meinem inneren Auge das Spinnrad der heutigen Erlebnisse und Eindrücke. Ich sah wieder den wabernden schwarzen Brei vor mir, dann wälzte sich der Rauch des in Flammen aufgehenden Hubschraubers aus der Schlucht, die geheimnisvolle Grotte tauchte auf. Dann wieder zog die Berglandschaft mit ihren schroffen, gezackten Gipfeln und den nebelerfüllten Tälern vorüber, mit dem Himmel, der grün war wie dickes Glas und in dem eine riesige Sonne flammte. Die Muskeln zuckten vor Übermüdung. Der Felsen strömte durchdringende Kälte aus. Aber ich traute mich nicht, die elektrische Heizung einzuschalten, denn die Batterie, die auch das Radio speiste, mußte geschont werden. Ich konnte nicht einschlafen. Ich lauschte den tiefen Atemzügen der anderen und bemühte mich, die letzten Ereignisse sorgfältig zudurchdenken. War die Katastrophe wirklich nur ein Zufall? Vielleicht waren wir beobachtet, von unheimlichen, unbegreiflichen Mächten umlauert, während wir glaubten, frei nach unserem Willen zu handeln. Ich war nicht imstande, alle diese Geschehnisse in einem geschlossenen, klaren Bild zu vereinigen. Wenn die Bewohner der Venus tatsächlich metallene Geschöpfe waren, was bedeutete dann dieser Strom von

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