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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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das Thema zurückzukommen – es ist Ihnen doch klar, daß diese paar Liter Sauerstoff, die Sie in der Grotte eingeatmet haben, im letzten Abschnitt des Rückweges hätten fehlen können?«
    »Das wäre möglich gewesen.«
    »Und was für einen Wert hätte dann die Entdeckung noch gehabt?«
    »Wir wußten eben nicht, ob der Sauerstoff reichen würde oder nicht, und gerade deshalb, glaube ich, hat Arsenjew so gehandelt wie ich damals im Toten Wald.«
    »Meinen Sie?«
    »Ja, natürlich. Hätte ich die Gewißheit gehabt, daß wir den ›Kosmokrator‹ nur dann erreichen würden, wenn wir uns nicht um die Grotte kümmerten, so wäre ich der erste gewesen, der sich dem Professor widersetzt hätte. Aber diese Gewißheit hatte ich eben nicht.«
    »So urteilen Sie also ...« Chandrasekar neigte den Kopf und blickte schweigend in die dunkelglänzende Platte des Prädiktors, als suchte er darin sein eigenes Spiegelbild. Ich war gespannt auf seine Erwiderung, aber in diesem Augenblick trat Soltyk in die Zentrale, und das Gespräch nahm eine andere Wendung.
    »Das unterirdische Rohr, der metallene Strohwisch, den Smith entdeckt hat, und die weiße Kugel müssen in irgendeinem Zusammenhang stehen! Und dann dieses veränderliche magnetische Feld!« sagte der Ingenieur. »Wenn ich wüßte, auf welche Weise sie Elektrizität erzeugen, wäre mir alles klar.«
    »Sie irren sich!« entgegnete Chandrasekar. »Wenn ein Marsbewohner auf unserer Erde in ein Sinfoniekonzert käme, was würde ihm da die genaueste Untersuchung der geometrischen und statischen Struktur des Gebäudes nützen, die chemische Analyse der Ziegel, des Mörtels, der Vergoldungen, das Ergründen der physikalischen und klanglichen Eigenschaften der Geigen, des Flügels, der anderen Instrumente? Er hätte noch immer nicht die geringste Vorstellung von dem Zweck, zu dem das Gebäude geschaffen wurde, denn die Kenntnis des Wichtigsten fehlte ihm.«
    »Der Musik, nicht wahr?« meinte Soltyk.
    »Nein, der Geschichte des Menschengeschlechtes. Viel wichtiger, als die Konstruktion einer Maschine zu verstehen, ist es, um die Geschöpfe zu wissen, die sie erbaut haben.«
    »Ich bin fest überzeugt, daß wir in den metallenen Ameisen die Herren dieses Planeten vor uns haben«, warf ich ein. »Anfangs kam es mir selbst sonderbar vor, daß so kleine Geschöpfe ein so gewaltiges energetisches Netz zu erbauen vermochten; aber überschreiten nicht auch die Bauten auf der Erde unser Körpermaß um das Hundert-, ja Tausendfache, wenn man nur an die Meeresdämme oder an den Atomring im Polargebiet denkt?«
    »Ich weiß nicht, was Ihre sogenannten metallenen Ameisen in Wirklichkeit sind«, erwiderte der Mathematiker. »Ich bin aber ebenso fest wie Sie von Ihrer Ansicht davon überzeugt, daß sich auf diesem Planeten Lebewesen befinden müssen, die uns bedeutend mehr ähneln.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Aus dem, was Sie mir vorhin erzählten. Sie haben doch in jener Grotte eine Inschrift oder, besser gesagt, eine Zeichnung an der Wand entdeckt, nicht wahr?«
    »Nun ja, aber ...«
    »Wozu hätten denn diese Ameisen eine solche Zeichnung schaffen sollen? Soviel ich gesehen habe, besitzen sie gar keine Augen.«
    »Zum Teufel, Sie haben recht!« rief Soltyk.
    Ich geriet in Verwirrung. »Nun ja, tatsächlich ... aber ..., warten Sie, Professor, vielleicht haben sie diese Zeichnung zufällig geschaffen ... das heißt, daß es gar keine Zeichnung ist, sondern ...«
    »Sondern was?«
    »Das ... das kann ich jetzt auch nicht sagen. Vielleicht besitzen sie irgendeinen elektrischen Sinn ...«
    Chandrasekar lächelte. »Vorsicht! Ich sehe, daß Sie Ihren Ruhm als ›Entdecker der metallenen Ameisen‹ um jeden Preis retten wollen. Sie dürfen aber keine Fakten mit Hypothesen zusammenwerfen – es gibt nichts Schlimmeres.«
    Plötzlich runzelte er die Brauen. »Bitte, entschuldigen Sie mich. Mir kam soeben eine bestimmte Idee ...«
    Soltyk und ich starrten noch eine ganze Weile verwundert die Tür an, hinter der der Professor verschwunden war.
    Bis zum Mittagessen hatte ich Freizeit. Arbeiten außerhalb der Rakete waren im Vormittagsplan nicht vorgesehen. Die Wissenschaftler hatten sich im Laboratorium eingeschlossen; von dort klang das durchdringende Brummen der Transformatoren herüber. In der Zentrale saß Oswatitsch am Prädiktor. Die Rakete hatte aufgehört zu schaukeln. Sie lag in den Felsen des Eises, das immer stärker wurde und die Oberfläche des Sees als durchsichtige Scheibe

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