Die Attentaeter von Luna City
Haupt- und Nebenrechnern verbunden waren. Erst in ihrer Gesamtheit wurden sie zu NATHAN.
Bereits bei ihrem ersten Besuch in NATHANS Innerstem hatten sie festgestellt, dass die riesige biopositronische-hyperinpotronische Rechenanlage in den sechzig vergangenen Jahren nicht untätig gewesen war. Der gewaltigste, je von Menschenhand erschaffene Computer hatte sich selbst weiterentwickelt. Und dies in einer Art, die sogar Perry Rhodan, der NATHAN bereits seit seinem frühesten Stadium kannte, seltsam berührt hatte.
Shanda hatte nicht einmal den Versuch unternehmen müssen, durch seine Mentalstabilisierung hindurch Gedankeninhalte aufzuschnappen – der Gesichtsausdruck des potenziell Unsterblichen hatte Bände gesprochen.
NATHANS Evolution hatte auch auf Shanda Sarmotte und Toufec äußerst beunruhigend gewirkt. Insbesondere da der Superrechner offensichtlich mit den onryonischen Besatzern des Erdmondes kooperierte. Einzig Fionn Kemeny hatte in NATHANS Entwicklung nichts Furchtbares gesehen. Seine Faszination schien ebenso grenzenlos gewesen zu sein wie sein Vertrauen in die Mondpositronik als treuer und verlässlicher Partner der Menschheit.
Als sie danach YLA, NATHANS »Tochter«, begegnet waren, hatte Kemeny überhaupt nicht mehr aus seinem neu entdeckten Wunderland weggehen wollen.
»Hallo, YLA«, sagte Pri Sipiera, nachdem sich NATHANS unabhängiger Avatar aus dem Nichts zusammengesetzt hatte.
Shanda Sarmotte sah sich um. Sie hatten einen Saal erreicht, in dem Tische und Stühle sorgsam aufgereiht auf NATHANologen warteten, die nicht mehr kamen.
Sie fragte sich, weshalb das Positronische Phantom, wie YLA von nicht eingeweihten Lunarern genannt wurde, sich ihnen bereits an dieser Stelle zeigte. Wollte sie vermeiden, dass die drei Menschen erneut bis in NATHANS Innerstes vorstießen?
»YLA grüßt euch, Fionn Kemeny, Pri Sipiera und Toufec«, sagte das Abbild der schönen Frau, das wie aus Spiegelscherben zusammengesetzt schien.
NATHANS Avatar bestand aus mehreren mikroskopisch kleinen Bauteilen, die sich zu einem Miniatur-Holoprojektor mit einem Konnektor zusammenfügen konnten. Die Miniaturpositronik dieses Konnektors nahm auch die Funktion einer Schnittstelle zu NATHAN wahr. Diese Verbindung bestand aber nur, wenn YLA dies wollte. Und auch dann war es ihre Entscheidung, ob NATHAN die Aktivitäten seiner Tochter überhaupt wahrnahm.
Wie Wochen zuvor beschlich Shanda Sarmotte bei ihrem Anblick ein mulmiges Gefühl. Es kam nicht daher, dass sie von der Projektion selbstverständlich keine Gedankeninhalte auffing. Es lag daran, dass sich YLAS dunkle Augen auf geheimnisvolle Art und Weise dem Blick des Betrachters entzogen. Sosehr sich die Mutantin anstrengte – mehr als eine oberflächliche Ahnung von YLAS Iriden erhielt sie nicht.
»Danke, dass du uns empfängst«, sagte Pri Sipiera. »Darf ich fragen, weshalb du bereits hier erscheinst? Haben wir beim letzten Mal etwas gesehen, was wir nicht hätten sehen sollen? Haben wir NATHAN gestört?«
Im Hauch eines Augenblicks liefen mehrere Emotionen über YLAS Gesicht.
Erstaunen-Belustigung-Verständnis.
»Nein«, erklang es aus der spiegelartigen Projektion. »Eure Vermutung ist nicht zutreffend. YLA ist euch vielmehr entgegengekommen, da sie und ihr Vater davon überzeugt sind, dass schnell gehandelt werden muss.«
Pri Sipiera runzelte die Stirn. »Ist etwas vorgefallen, was uns zum Handeln zwingt?«
»Es fallen immerfort Dinge vor«, sagte YLA sanft. Ihre Stimme wurde von einem fernen Rauschen überlagert, das sie noch einmal exotischer und geheimnisvoller erscheinen ließ. »Überall auf Luna. Die Onryonen sind zahlreich, sie arbeiten auf ein Ziel hin, sie gestalten, sie erschaffen. Das Technogeflecht erschafft sich selbst und wächst immer weiter.«
Die kleine rothaarige Frau suchte den Augenkontakt mit Fionn Kemeny. Der Wissenschaftler hob ansatzweise die Schultern. Er machte auf Sarmotte nicht den Eindruck, als habe er YLAS Mitteilung vollständig dekodiert.
»Ich verstehe dich leider nicht ganz. Was genau geschieht derzeit mit den Onryonen und dem Technogeflecht?«
Verwirrung-Ärger-Mitleid.
»YLA ist NATHANS Tochter und Beschützerin. Sie ist ein selbstständiger Teil des Vaters und kommuniziert mit ihm, wenn sie es will«, erklärte die schöne Frau im zersplitterten Spiegel. »Genau wie ihr Vater will sie die Motive und Handlungen der Onryonen auf Luna verstehen. Aber ungleich ihrem Vater ist YLA frei. Die Onryonen wissen nicht, dass es sie
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