Die Attentäterin
sich neben ihn zu stellen.
Die Gruppe kommt herein, eine Mischung aus Asiaten und Okzidentalen verschiedenen Alters, drei Männer und fünf Frauen. Alle sind makellos frisiert und gekleidet. Alle tragen plastiklaminierte Abzeichen, die sie als Angestellte von Exotech Entertainment Inc. ausweisen. Der einzige, der kein solches Abzeichen trägt, ist Nigao Yorito. Sein Abzeichen identifiziert ihn natürlich als Angestellten der Muttergesellschaft KFK.
Enoshi beginnt mit einem kurzen Kopfnicken und sagt: »Guten Morgen.«
Die Gruppe reagiert in gleicher Weise, indem die meisten bei ihrem Gruß zusätzlich noch angelegentlich nicken oder lächeln. Das ist ganz akzeptabel. Die einzige Antwort, die sich davon abhebt, ist die des statistischen Assistenten, der sich verbeugt und sagt: »Ohayo, Enoshi- san .«
Enoshi unterdrückt einen Seufzer. Viele der in Japan geborenen Mitglieder des Stabes begehen den Fehler, vertraute Angewohnheiten, die sie sich in ihrer Kindheit und Jugend in Japan oder sonstwo angeeignet haben, übermäßig zu strapazieren. Exotech Entertainment und seine Muttergesellschaft KFK verfolgen die Politik, die Unterschiede zwischen Ost und West zu mildern, wo immer dies möglich ist, das Beste von beiden Seiten zu nehmen und es zu verschmelzen. Wenngleich Enoshi ursprünglich aus Kyoto, Japan, stammt, wo Traditionen sehr stark respektiert werden, hat er alle Anstrengungen unternommen, um verwestlicht zu erscheinen. Nicht weniger erwartet er von seinen Untergebenen. Irgendwann in naher Zukunft muß er eine Privatbesprechung mit den Japanern seines Stabes anberaumen und sie nachdrücklich dazu ermuntern, ›lockerer‹ zu werden.
Als er sich einen Augenblick Zeit nimmt, von einem zum anderen zu sehen, wird ihm schlagartig klar, daß noch etwas anderes nicht stimmt. Mehrere Angehörige der Gruppe wirken bestürzt. Zwei der Frauen machen einen emotional sehr aufgewühlten Eindruck. Eine wischt sich kurz über die Augen. Enoshi öffnet den Mund, um zu fragen, was vorgeht, als ihn jäh die Erkenntnis trifft, und zwar hart genug, um ihn zu schockieren.
Wie hat er nur so unsensibel sein können!
Dies ist wieder eine Situation, in der ein Problem droht, ein anderes aufzuwerfen. In seiner Hast, verlorene Zeit aufzuholen, ist ihm beinah entgangen, was offensichtlich hätte sein sollen. Er sammelt und bemüht sich, eine ernste und zugleich mitfühlende Miene aufzusetzen.
Obwohl er Englisch selbstverständlich ausgezeichnet beherrscht, hat er Mühe, die richtigen Worte zu finden.
»Ich bin sicher, Sie haben mittlerweile alle vom tragischen Tod Mister Robert Neimans aus der Abteilung Sonderprojekte gehört. Seien Sie bitte versichert, daß man sich um Mister Neimans Familie kümmert, daß die Polizei Nachforschungen anstellt. Unglücklicherweise ist gegenwärtig nur wenig mehr über die Umstände von Mister Neimans Tod bekannt als das, was Sie wahrscheinlich in den Nachrichten gesehen haben. Ich werde Sie jedoch sofort unterrichten, wenn neue Informationen hereinkommen. Wahrscheinlich werden wir später am Tag eine offizielle Stellungnahme hören.«
Mehrere aus der Gruppe lächeln oder nicken ihm zu, als wollten sie ihm danken, und dem entnimmt Enoshi, daß das wenige, was er gesagt hat, was er sagen konnte, genügt.
»Im Augenblick halte ich es für das beste, wenn wir wie üblich verfahren.« Er sagt dies sehr behutsam, um nicht kalt oder gefühllos zu wirken, und die Gruppe scheint geneigt, seinem Vorschlag zu folgen. Er schließt dieses Kapitel mit einem angedeuteten Lächeln - seine Frau erinnert ihn ständig daran zu lächeln - und dreht sich dann ein wenig, um auf den Mann zu deuten, der neben ihm steht.
»Heute morgen hat uns Mister Nigao aus der Personalabteilung von Kono-Furata-Ko etwas mitzuteilen.« Mit einem knappen Nicken und einer subtilen Verbeugung lädt er Nigao- san ein zu beginnen. Nigao nickt Enoshi zu und verbeugt sich ebenfalls, subtil, dann lächelt er und wendet sich an die Gruppe.
»Guten Morgen«, sagt er mit einer weiteren unmerklichen Neigung des Kopfes. Die Gruppe reagiert in gleicher Weise mit Kopfnicken und ein paar unbeholfenen Verbeugungen. Nigao beginnt, indem er sagt, daß sie mit Enoshis Erlaubnis eine Schweigeminute zum Gedenken an Robert Neiman einlegen sollten. Natürlich gibt Enoshi seine Zustimmung und tadelt sich im stillen, weil er daran nicht selbst gedacht hat. Wie laut die Worte seines Vaters in der Stille der folgenden Schweigemomente durch seinen Kopf hallen.
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