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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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Hure geschimpft! Du bist doch nicht besser. Von ihr hast du dich aushalten lassen, und jetzt willst du dich von der hier aushalten lassen.«
    Die Miene seines Vaters verfinsterte sich, und Eamonn ahnte, dass er sich vorsehen musste. Noch benahm sich sein Vater tadellos, aber wenn es ihn überkam, würde er den Jungen windelweich prügeln.
    »Du bist doch auch nicht besser als ich. Du wolltest doch schon immer höher hinaus, und so wird es auch bleiben. Gleich als Erstes morgen früh würde ich dich für die kleine Cathy eintauschen, weil die mehr Mumm hat, als du je aufbringen wirst. Madge kann nichts passieren, weil sie Cathy hat, die sich um sie kümmert. Ich wünschte nur, ich wäre mit solch einem Kind gesegnet, denn wenn ich auf dem Sterbebett läge, würdest du erst überlegen, was für dich dabei rausspringt, bevor du mir zu Hilfe kämest!«
    Eamonn Junior sah seinem Vater ins Gesicht. »Na ja, ich hatte einen guten Lehrer, stimmt’s?«
    Der große Mann war nicht beleidigt. Er nickte ernst. »Ja, Sohn, das hattest du. Wenn ich dir auch sonst nichts mitgegeben habe, den scharfen Grips im Kopf hast du von mir.«
    Junie kam wieder ins Zimmer gewuselt, freudestrahlend und voller Genugtuung, dass sie im Sessel ihres verstorbenen Mannes jetzt dieses irische Prachtexemplar sitzen hatte. Sie lächelte
ihm zu, setzte sich in ihren Sessel und begann zu nähen. Stillvergnügt summte sie vor sich hin.
    Eamonn sah zu, wie sein Vater ein Bier nach dem anderen in sich hineinschüttete und ein Sandwich nach dem anderen vertilgte. Er sah sich im Zimmer um und taxierte Stück für Stück. Eines Tages, wenn er älter war, würde er das Haus hier leerräumen, so dass den beiden nichts mehr blieb.
    Diese Vorstellung genoss er umso mehr, als er sah, wie sein Vater der kleinen dunkelhaarigen Witwe mit dem sanften irischen Akzent und dem harten Herzen schmachtende Blicke zuwarf.
    Als er später zwischen den frisch gestärkten weißen Laken eines richtigen Bettes lag, beschloss er, am nächsten Tag bei Madge vorbeizuschauen. Er würde hier essen und schlafen, aber nicht auf die Zuwendung verzichten, die er von Madge und Cathy bekam. In diesem Haus hatte er davon nichts zu erwarten, und die alte Hexe würde ihn hochkant vor die Tür setzen, sobald sie die geringste Chance dazu sah.
    Aber er würde dem Pärchen mit gleicher Münze zurückzahlen und den richtigen Augenblick abwarten. Nicht umsonst war er der Sohn von Eamonn Docherty. Wie er zu seinem Vater gesagt hatte: Er war ihm ein sehr guter Lehrer gewesen.
     
    Um ihre Freundin aufzuheitern, hatte Betty zwei Männer unbestimmten Alters und unbestimmten Berufs aufgetrieben. Beide trugen Sockenhalter und bunte Hosenträger, hatten schütteres Haar und vom Staat bezahlte Zahnprothesen im Mund. Ihre Namen waren Charlie und Bill. Charlie war anscheinend Stammfreier von Betty und meinte deswegen, das Sagen zu haben. Als er das Glas ihrer Mutter nachfüllte, zwinkerte er Cathy gönnerhaft zu.
    »Na, was hast du denn zu Weihnachten bekommen, Kleines?«
    Cathy sah ihm in die kalten Augen und sagte gleichmütig: »Was ich jedes Jahr kriege. Nicht die Bohne.«

    Charlie grinste und bedachte sie nochmal mit seinem übertriebenen Augenzwinkern. Er packte sich vorn an die Hosen und posaunte lauthals: »Ich hätte hier was für dich, wenn du meinst, du kannst was damit anfangen.«
    Cathy verdrehte die Augen. »Lass den mal schön drinnen, Jüngelchen. Ich brauch Belohnung, keine Strafe.«
    Madge und Betty prusteten vor Lachen.
    Bill, dem aufging, was das Mädchen gesagt hatte, mischte sich ein: »Die Göre ist ganz schön vorlaut, oder?«
    »Lasst sie zufrieden, ihr beide. Sie ist erst zwölf.«
    »Ganz schön groß für zwölf, wenn ihr mich fragt.«
    Betty wandte sich dem Mann neben ihr zu und fuhr ihn an: »Nun, es hat dich keiner gefragt, oder? Also lass sie gefälligst in Frieden.«
    Aber in ihrer Stimme schwang Eifersucht mit. Deswegen stand Cathy auf und ging hinaus. Sie zog eine Kommode vor die Tür und machte sich daran, ihr Schlafzimmer aufzuräumen. Im Hintergrund hörte sie Radiomusik und Gelächter. Sie seufzte tief. Ein neuer Mann, und ihre Mutter war gleich wieder die alte Madge. Morgen würde sie weinen und mit Selbstmord drohen, aber im Augenblick war alles bestens.
    Als sie zum Fenster hinaussah, erblickte sie all die Weihnachtsbäume der Nachbarn und den warmen Schein der vielen bunten Lichter, und sie fragte sich, wie es wohl sein mochte, in einem ganz normalen Haushalt zu

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